Mudra und sonstige buddhistische Ikonographie
Mudren sind spezielle Handgesten, die von den diversen Buddhas an ihre Jünger weitergegeben wurden. Mudren sind damit religiöse Symbolik. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund interessiere ich mich dafuer und habe, als ich letztens das Nationalmuseum in Ueno (Tokyo) besucht habe, auch einige Fotos der Handgesten geschossen und mir einen kleinen Informationszettel dazu geben lassen. Anhand dessen möchte ich nun einmal die einzelnen Mudren vorstellen:
1) 禅定印 – Zenjôin (Meditation-festgelegt-Geste) Die Zenjôin-Mudra ist der Legende nach vom historischen Buddha, Shakyamuni selbst überliefert worden. Dabei war seine Gestalt, als er am Fluss „Nirenzenga“ unter einem Bo-Baum meditierte, Anlaß für die Form dieser Mudra.
Sie wird geformt, indem man (im Lotussitz) die linke Hand mit der Innenseite nach oben direkt zwischen die Knie und darauf dann die rechte Hand legt. Dabei spreizt man die Daumen so ab, dass sie sich beruehren. Diese Mudra wird für Statuen von allen „Drei Großen Buddhas“ Japans (Amida, Shaka, Yakushi) und auch im esoterischen Buddhismus benutzt. Bei Statuen von Amida-Buddha werden ausserdem noch die beiden Zeigefinger nach oben gekrümmt, so dass sich beide Daumen und beide Zeigefinger (insgesamt alle vier) berühren.
Der „Daibutsu“ in Kamakura als Beispiel für die Zenjôin-Mudra.
2) 転法輪印 – Tenpôrinin (Drehen-Gesetz-Rad-Geste; „Rad der Lehre“-Mudra) Die Rad-der-Lehre-Mudra wiederum wurde vom legendären Buddha Shakyamuni selbst ebenso legendären „Hirsch-“ bzw. „Rehgarten“ gelehrt. „rin“ (輪), das Rad, bezeichnet auch eine Schlinge, die im alten Indien als Wurfwaffe genutzt wurde. Buddha zufolge soll diese Waffe auch gegen die „Verirrung“ der Lebewesen eingesetzt werden. (Ein zentraler Grundsatz des Buddhismus ist, dass wir die „Realitaet“ nicht erkennen, da unsere Sinne und unser Koerper uns täuschen.) In Japan wird dieses Mudra für Amida und Shaka (Shakyamuni) Buddhafiguren benutzt. Im Falle Amidas wohl deshalb, weil er als „Krieger des reinen Landes“ gilt.
Bei dieser Geste werden die Daumen und Zeigefinger beider Hände zusammengebracht, während man die anderen Finger leicht spreizt. Die Finger zeigen dabei nach oben, mit der Handinnfläche nach aussen.
3) 施無畏・与願印 – Semui, Yoganin (Almosen-Nichts-Weisheit, Geben-Wünschen-Geste) Diese Mudra wird bei allen in Japan gängigen Buddhastatuen verwendet.
Die rechte Hand gibt allen Lebewesen Ruhe und mindert ihre Angst (Semui), dabei hebt man sie vor die Brust mit den geschlossenen, gestreckten Fingern nach oben und der Handinnenseite nach aussen. Der Daumen ist leicht abgespreizt.
Die linke Hand gewährt allen Lebewesen ihre Wünsche (Yogan), dabei lässt man sie locker absinken mit den geschlossenen, gestreckten Fingern nach unten und der Handinnenseite nach Aussen. Es gibt noch einige Unterformen mit abgespreiztem Daumen bzw. zwei oder drei gestreckten Fingern.
Ein Beispiel für Semui, Yoganin:
4) 降魔印 – Gômain (Siegen-Teufel-Geste; das Zeichen für „gô“ hat noch eine Reihe weiterer Bedeutungen, aber ich denke, hier ist „siegen, schlagen“ gemeint) Die Gômain-Mudra entstand der Legende nach als Buddha Shakyamuni den Versuchungen und Drohnungen der Dämonen widerstand, die ihn vom Pfad der Erleuchtung abbringen wollten. Er verjagte die Dämonen, indem er die rechte Hand vor sein Knie hielt und die drei mittleren Finger den Boden berühren liess. Dabei zeigte der Handrücken nach aussen. Man nennt diese Mudra deshalb auch Sokuchi-Mudra (触地印) oder „Berühren-Erde-Geste“. In Japan ist diese Mudra eher selten.
Hier ein Beispiel für Gômain:
5) 来迎印 – Raigôin (Kommen-Empfangen-Geste) Raigôin ist die spezielle Mudra des Amida-Buddha. Er ist die zentrale Figur zweier sehr erfolgreicher japanischer Sekten: Der Jôdoshû (浄土宗, Sekte des reinen Landes) und der Jôdoshinshû (浄土真宗, „Wahre“ Sekte des reinen Landes). Die Jôdoshû postuliert ein „Paradies“ nach dem Tod, in das der Gläubige von Amida-Buddha geleitet wird, es genügt, wenn man dafür seinen Namen anruft (Namu Amida Butsu). Diese Mudra war vor allem Ende der Heian-Zeit und während der Kamakura-Zeit (etwa 12. – 14. Jahrhundert n. Chr.) sehr beliebt.
Bei dieser Mudra berühren Daumen und Zeigefinger beider Hände einander. Die rechte Hand wird mit der Handinnenseite nach aussen vor die Brust gehoben. Die linke Hand wird gesenkt (im Stehen) oder auf das Knie gelegt (im Sitzen), mit den Fingern nach unten weisend und der Handinnenfläche nach aussen oder nach oben geneigt. Es gibt auch einige Abwandlungen diese grundlegenden Form.
Hier ein Beispiel für Raigôin:
6) 逆手来迎印 – Sakate-Raigôin (Umgekehrte-Hände-Kommen-Empfangen-Geste) Diese Mudra stammt von Bildern des Amida-Buddha aus dem China der Song-Zeit, die genau so, wie sie waren, kopiert wurden (also spiegelverkehrt). Die linke Hand ist in diesem Fall oben und die Rechte unten.
Es gibt natürlich noch viel mehr buddhistische Ikonographie, ein paar Beispiele:
Die Ohren! Die Ohren! Sie stehen für Weisheit und deshalb haben Buddhas für gewöhnlich sehr große Ohrläppchen. Laut dieser englischen Webseite symbolisieren die Ohrlaeppchen einerseits die Fähigkeit Buddhas alles (vor allem alles Leid) zu hören und andererseits sind sie so lang, weil Buddha vor seiner Erleuchtung (und der darauffolgenden Absage an alles Materielle) schweren Ohrschmuck trug.
Sehr viele Buddhafiguren stehen oder sitzen auf solch einem Podest. Das ist aber nicht einfach irgendein Podest sondern eine symbolische Lotusblume. Lotusblumen gehören zu den acht „heiligen“ Symbolen des Buddhismus (clicky). Sie symbolisiert in ihrem Aufbau den Aufstieg des Menschen zum Buddha. Ihre Wurzeln stecken im Schlamm, ihr Stamm liegt im Wasser und ihre Blüte liegt auf oder sogar über dem Wasser. Das symbolisiert den Aufstieg des Menschen vom rein von Begierden und Ängsten getriebenen „tierischen“ Wesen, hin zum Buddha, der – frei von jeglicher Begierde und Angst – die Wirklichkeit durchdringt und vollkommen gelassen ist.
(Interessanterweise beinhaltet eines der acht Symbole zwei Fische, was auch ein Symbol der frühen Christen war.)
Bei diesem Bild bin ich mir nicht so sicher, was die Symbolik bedeutet. Die Perlenkette könnte auf die „108 Tugenden“ (auf die Schnelle keinen guten Link gefunden) des Buddhismus hinweisen.
Und zum Schluss nochmal etwas nicht-Buddhistisches (soweit ich weiss):
Das ist ein „Shachi“ (鯱). Shachi bestehen aus einer Mischung aus Tierkopf und Fischkörper. Der Schwanz ist immer himmelwärts nach oben gebogen. Shachi befinden sich meist auf den Dächern japanischer Burgen und sollen Glück bringen bzw. Unglück abwenden und Feuer löschen.
Mehr Info auf Japanisch gibt es hier.
tl;dr ?
Wort des Tages: 知恵袋 – chiebukuro – Quelle der Weisheit; auch: Jemand, der anderen mit Ratschlägen beisteht.
Kommentar verfassen