Sex in Japan, Teil 2 : Verhuetung in Japan (Die Verschwoerung)
In meinem letzten Eintrag habe ich ein paar Zahlen und Fakten zur Verhuetung in Japan genannt. Nun wird es Zeit, diese zu erklaeren und die Umstaende, die dazu fuehrten, zu erlaeutern.
Dazu moechte ich erst einmal auf die Verbreitung der verschiedenen Verhuetungsmethoden eingehen:
In Japan ist seit Ende des Krieges das Kondom die unangefochtene Nummer eins unter den Verhuetungsmitteln. Auslaender wundern sich manchmal, wo man sie kaufen kann, aber eigentlich gibt es doch eine ganze Menge Laeden, wo man sie kaufen kann: Drug Stores (am Bekanntesten ist wohl Matsumoto Kiyoshi), Kombinis (manchmal) und natuerlich Fachlaeden. Automaten habe ich glaube ich noch nie gesehen.
Die weitverbreitete Benutzung von Kondomen hat zumindest ein Gutes: Die Aidsrate in Japan ist – verglichen mit anderen Industrielaendern – gering. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass es einen Unterschied in der Mentalitaet der Japaner und der Amerikaner / Europaer gibt, aber dazu spaeter mehr.
Dann ist natuerlich noch die weite Verbreitung der „Rauszieh“-Methode sehr interessant: Laut meiner Freundin lernen Japaner durchaus in der Schule, dass Coitus Interruptus keineswegs sicher ist. Es scheint aber so, als ob das nicht wirklich haengen bleibt. Das wuerde dann auf einen Mangel im Bildungssystem schliessen lassen. Tatsaechlich denke ich, dass der Sexualkundeunterricht in Japan sehr mies ist, aus ein paar offenkundigen Gruenden:
In Japan herrscht eine stockkonservative Sexualmoral, die Sex zu einem sehr grossen gesellschaftlichen Tabu macht. In Japan hat es auch nie einen Oswalt Kolle mit seinem „Schulmaedchen-Report“ oder einen „Sexualkunde-Atlas“ gegeben.
Als Anhaltspunkte:
Pornos gibt es (offiziell) nur verpixelt.
In der Oeffentlichkeit kuessen sich Japaner nur sehr selten und „kuscheln“ nur wenig.
Ueber Sex kann man mit fast allen Japanern nicht offen reden. (Ausser es ist ein sehr guter und aufgeschlossener Freund.)
Andererseits darf man auch nicht vergessen, dass es in jedem Kombini reichlich „Maennermagazine“ und „Hentai“-Manga gibt, auch wenn vor allem die Ersteren aus westlicher Perspektive meist ziemlich bieder sind. Und auch in meinem Touristenkaff gibt es einen Stripclub.
Nun moechte ich aber zum Hauptpunkt des heutigen Eintrags kommen: Die geringe Verbreitung der Pille.
Die Geschichte der Pille in Japan ist ein echter Krimi. Die Hauptdarsteller sind: Die japanische Regierung, Pfizer (Viagra), die japanische Aerztevereinigung und Feministengruppen.
Es fing alles so an: Als die Pille in den 60er und 70er Jahren Europa eroberte, traf sie in Japan auf starken Widerstand.
Wieso das? Nun, erst einmal weigerte sich die Regierung (bzw. das Gesundheitsministerium) die Pille freizugeben. Sie begruendete dies damit, dass die Pille die „sexuelle Moral“ der Japaner verschlechtern wuerde und viele gefaehrliche Nebenwirkungen haette. Spaeter ging es dann auch noch um die „niedrigere Geburtenrate“. Das Verrueckte ist, dass japanische Feministinnen anfangs die Regierung sogar noch unterstuetzten, vor der sexuellen „Verlotterung“ warnten und betonten, die Pille sei „unnatuerlich“, da sie den Hormonhaushalt des Koerpers veraendert.
Die Pille hat noch heute bei vielen Japanerinnen einen schlechten Ruf und viele denken bei dem Wort „Pille“ zuerst an Nebenwirkungen (zum Teil die Nebenwirkungen der ersten Generation der Pille, zum Teil auch einfach an den Haaren herbeigezogene, maßlose Uebertreibungen) – und an das horizontale Gewerbe.
Im Hintergrund dazu muss man dann noch sehen, dass die japanischen Aerzte ein Vermoegen mit der Abtreibung verdienen und sie dabei auch noch wunderbar Geld am Finanzamt vorbei verdienen koennen, zumal viele Japanerinnen aus Scham in Bar bezahlen (sieht man eben nicht direkt auf dem Kontoauszug).
Dazu nehmen wir noch die Kondomhersteller, die natuerlich auch ein grosses Interesse daran haben, dass die Japaner weiter fleissig ihre Produkte kaufen und fertig ist der Skandal „Pille“.
Das Ganze spielte sich dann etwa wie folgt ab: Die japanische Regierung lehnte die Einfuehrung der Pille aus „moralischen Gruenden“ und unter Beeinflussung durch die Aerztevereinigung / die Lobby der Kondomhersteller ueber Jahrzehnte ab und wurde dabei auch noch von Frauengruppen unterstuetzt, die die Luegen und Uebertreibungen der Aerzte (Nebenwirkungen usw.) und die Propaganda der Regierung einfach uebernahmen.
Doch dann kam das denkwuerdige Jahr 1998. Ein amerikanischer Konzern namens Pfizer hatte ein neues Wundermedikament entwickelt, das die alten Herren in Japans Parlament und Buerokratie sehr zu schaetzen wissen: Viagra.
Der Vertrieb von Viagra wurde dann folgerichtig innerhalb eines halben Jahres genehmigt. Und ploetzlich wachten auch die japanischen Frauenrechtlerinnen aus ihrem Dornroeschenschlaf auf. Sie fragten sich, wieso Viagra trotz gefaehrlicher Nebenwirkungen und offensichtlich „unmoralischem Zweck“ so schnell genehmigt wurde, waehrend die Genehmigung der Pille sich Jahr um Jahr verzoegerte. So entwickelte sich – endlich – oeffentlicher Druck auf die Regierung und siehe da, ploetzlich ging alles ganz schnell, seit September duerfen auch japanische Frauen die moderne, medizinische Form der Empfaengnisverhuetung nutzen.
Ein Schelm, wer Boeses dabei denkt.
Ich fuer meinen Teil, sehe ein Parlament voller alter Maenner, eine Gesundheitsbehoerde voller alter Maenner, Arztpraxen, die viel Geld verdienen und meist von alten Maennern betrieben werden.
Und ich sehe Millionen von abgetriebenen Foeten und traumatisierten Frauen.
Die Vorurteile gegenueber der Pille sind uebrigens immer noch da, aber im Alltag ist es mittlerweile relativ problemlos moeglich, die Pille zu bekommen.
Mehr harte Fakten und Fotos gibt es beim naechsten Mal. Fuer alle, die sich weiter informieren moechten (alle Texte Englisch):
NYT (guter Artikel ueber die Zusammenhaenge zwischen der Genehmigung von Viagra und der Genehmigung der Pille)
Pro choice forum (zur Propaganda gegen die Pille)
Stanford news release (wirtschaftliche Zusammenhaenge)
Wort des Tages:陰謀 – inbou – (Schatten – List) die Verschwoerung
[…] und ich werde von nun an meine kleine Serie zum Thema “Sex in Japan”, die ich hier und hier begonnen habe, weiterführen. Damals ging es um Verhütung, bzw. die merkwürdige Herangehensweise […]
Sex in Japan, Teil 3: Sexualerziehung « japanbeobachtungen
April 7, 2012 at 12:24 am
in dem Eintrag heißt es “ seit September duerfen auch japanische Frauen die moderne, medizinische Form der Empfaengnisverhuetung nutzen.“ ,damit ist der September 1998 gemeint oder etwa 2011 (der Eintrag ist ja vom Februar 2012)? Ich bin angesichts solch mittelalterlicher Zustände in solch einem modernem Land zu geschockt um klar zu denken,sorry
Dirk
Juni 10, 2016 at 4:37 pm