Ueber Medien, Teil 2: Japans Fernsehen
Nach dem etwas theorielastigen Artikel ueber Japans Medien moechte ich heute ein wenig praxisnaeher zum Thema Fersehen in Japan schreiben. Ich bin nicht der erste Blogger, der das tut und der gute Tabibito hat hier einen schoenen Artikel zu dem Thema geschrieben. Azrael bei Gaijin Chronicles hat eine lange und lesenswerte Serie mit dem Thema „verdammt, ich hasse japanisches Fernsehen“ geschrieben. Hier nun also noch meine Sicht der Dinge.
Was ist japanisches Fernsehen?
Da ist zuerst einmal das kostenlose Fernsehen, das man zumeist ueber Antenne empfangen kann. Das System aehnelt dem in Deutschland sehr, denn man kann kostenlos Fernsehen, sollte aber moeglichst fuer den oeffentlich-rechtlichen Sender NHK (=ARD/ZDF) bezahlen. Die Gebuehreneintreiber in Japan sind allerdings moeglicherweise nicht so dreist wie in D.. Ich kann mich erinnern, wie ich einem von ihnen erzaehlte, dass ich kein NHK schauen wuerde und er das sofort akzeptierte. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich ein komischer Auslaender bin. Jedenfalls bekommt man in Japan einen Sticker neben die Haustuer gepappt, wenn man NHK bezahlt hat. So bekommt man dann keinen ungebetenen Besuch.
Generell haben japanische Fernbedienungen genau zwoelf Knoepfe mit Nummern fuer die zwoelf Sendefrequenzen, die freigegeben sind. Es gibt einige landesweite Sender so wie NHK oder Fuji TV und etliche regionale Sender. Von den zwoelf Tasten sind oft ein paar nicht belegt, so dass man im Schnitt etwa 9 – 10 Sender empfaengt. Soweit, so von Tabibito schon beschrieben. Es gibt aber auch noch BS, was fuer Broadcasting Satellite steht. (Oder doch fuer BullShit? :)) BS muss man bezahlen und man kann so ein paar Dutzend zusaetzliche Programme empfangen.
Aber kommen wir zum Inhalt und damit dem Grund, warum fast alle Auslaender, die ich bisher in Japan getroffen habe, japanisches Fernsehen hassen. Zuerst einmal das „kostenlose“ Fernsehen. Wenn man an einem beliebigen Nachmittag einschaltet und sagen wir mal zehn Kanaele zur Verfuegung hat, dann werden die Sendungen ungefaehr so verteilt sein (Mehrfachnennungen moeglich): 3 „Variety“-Shows, 3 „Travel“-Programme, 5 Shows zum Thema „Essen“, 2 Sonstige. Reportagen, Filme, Serien? Weitestgehend Fehlanzeige. Japanisches Fernsehen wird von drei Formaten dominiert: „Variety“, „Wide-Show“ und Nachrichten.
„Variety“ Shows (oh, die Ironie!) bestehen gewoehnlich aus ein paar bis ein paar Dutzend sogenannten „tarento“ (von „talent“) bzw. „geinoujin“ (= „Kuenstler“), die irgendetwas tun. Dieses irgendetwas kann zum Besipiel eine Gameshow/Quizshow sein, oder die „tarento“ schauen eine Reportage und geben ihren Senf dazu ab oder – extrem beliebt – sie essen, schauen jemandem beim Essen zu, reden ueber essen … „Klingt doch gar nicht so schlimm“ mag der unbedarfte Leser jetzt denken. Die Sache ist nur, dass der Kram staendig laeuft. Die Aussage „50% der On-Air Zeit im japanischen Fernsehen wird von Variety-Shows abgedeckt“ waere nicht uebertrieben. Egal, wann man einschaltet, es gibt immer irgendwo ein paar (dutzend) „tarento“ zu bestaunen. Und die Shows sind immer extrem trivial: Wenn es mal nicht um Essen geht, dann geht es um Klatsch & Tratsch, eine neue TV-Sendung oder einfach um nichts. Dazu kommt, dass „tarento“ trotz des Namens eben nicht besonders talentiert sind. Die meisten „tarento“ haben keine andere Berechtigung zum „tarento“-Dasein als ihre Beruehmtheit. Ein bisschen so wie eine Armee von Paris Hilton Klonen. Das Schlimme ist, dass dieses Format funktioniert. Tag fuer Tag, Jahr fuer Jahr schauen sich Millionen Japaner diesen Mist an. Azrael bei Gaijin Chronicles meint erklaerend dazu, dass nur Hausfrauen tagsueber fernsehen (Maenner arbeiten, Kinder sind in der Schule). Mir reicht das als Ekrlaerung aber nicht. Es ist ja nicht so, dass alle Japanerinnen doof waeren. Tatsaechlich hat Japan eine der bestausgebildeten weiblichen Bevoelkerungen der Welt. Falls also jemand eine Idee hat, darf er sie mir gerne mitteilen.
Und so sieht eine typische Variety-Show aus.
Noch einmal zusammengefasst: Japans kostenloses Fensehen besteht zum großen Teil daraus, irgendwelchen beruehmt-fuers-beruehmt-sein Promis beim Essen zuzusehen. Das ist so bescheuert, dass ich es nicht einmal ansatzweise nachvollziehen kann.
BS ist ein wenig besser, es gibt mehr Filme, Dokumentationen und sogar den Discovery Channel. Aber davon sollte man sich nicht taeuschen lassen. Es ist immer noch ein Haufen dampfender Hundekacke. Es ist in weiten Teilen immer noch unglaublich trivial und nicht einmal unterhaltsam. Zugegeben, es gibt auch (tagsueber) gute, lehrreiche und interessante Sendungen, aber die muss man erst suchen (spaet in der Nacht finden sich z.B. ein paar anstaendige Diskussionsrunden und mein geliebtes „Friday no Roadshow“-Programm).
Abschließend moechte ich noch die Verbindung zu meinem letzten Artikel herstellen. Ganz im Sinne von Adornos Begriff der Kulturindustrie ist japanisches Fernsehen in weiten Teilen eine triviale Industrieware, die mit nur minimalen Variationen immer und immer wieder verkauft und konsumiert wird (Mito Koumon anyone?). Gesellschaftskritik nimmt hier sicher nicht seinen Anfang.
Wort des Tages: くだらない – kudaranai – langweilig (sehr negativ und abfaellig benutzt)
P.S. Fuer Anime-Fans: Im „kostenlos“-Fernsehen laufen jeden Nachmittag/Abend Anime (z.B. Inu Yasha, Dragonball, Naruto) und auf BS gibt es sogar einen rund-um-die-Uhr Animesender.
Denk mal die Shows sind immer noch besser als „Familie in Brennpunkt“ oder andere deutsche Sendungen die den realistischen Alltag jedes Deutschen zeigt.
obi
Februar 26, 2012 at 9:35 am
Tatsächlich bin ich ja nun auch schon ein paar mal mit dem jTV in Berührung gekommen und bis auf Anime und 1-2 Dokus habe ich dort über mehrere Tage(!) tatsächlich nur „Müll“ gesehen. Auch wenn ich mangels Sprachbarriere sehr wenig verstanden habe, so kam ich bei dem Konsum nicht umher zu merken, wie mein Gehirn in Standby verfiel.
Aber ich glaube hier in Dland sind wir mit unseren Sternstunden zur Nachmittagszeit, genannt „Hartz4-TV“, nicht besser dran. Der große Unterschied für mich ist jedoch, dass unsere öffentlich-rechtlichen Sender doch ordentliche „Kost“ produzieren, wenn auch für eine ältere Zielgruppe.
Doch was tun sprach Zeus… Ich mag auch nicht so recht glauben, dass man im jTV mit ernsten Inhalten scheitern würde, geschweige den, dass das Format von einer Zielgruppe gefordert wird.
Was mich persönlich noch interessieren würde, wie es den Radio technisch in JP so aussieht.
Christian
Februar 26, 2012 at 2:16 pm
@Obi Wie auch schon bei meinem letzten Post geht es hier NICHT um einen Vergleich. Ich bin mir uebrigen bewusst, dass die Situation in D. auch nicht gerade toll ist.
@Christian Ganz genau! Wenigstens gibt es in D. Arte und 3Sat. National Geographic bei BS (in Japan) ist nicht annaehernd so gut (imo!).
Radio ist geplant, ein klein wenig Geduld bitte. 🙂
hanayagi
Februar 27, 2012 at 1:09 am
Japanisches TV verdummt die Leute.. kann ich deutlich bei meiner Schwiegermutter sehen! Kaum gilt ein Produkt, Frucht oder Gemüse als besonders gesund, wird es gekauft. Kann man manchmal nur den Kopf schütteln…
Felix
Februar 27, 2012 at 2:07 pm
Ich finde es interessant, wie hier zum Teil andere Substanzen als gesund bzw. Schoenheits-foerdernd gelten. Schonmal etwas von „Hyaruronsäure“ gehört? Kennt wohl jede Japanerin.
hanayagi
Februar 29, 2012 at 8:49 am
Ich würde dann wohl nur die Animes schauen (^_^) … und eventuell die Essen-Shows. 😀
Aiko
Februar 28, 2012 at 11:56 am
Nur, dass auf den frei empfangbaren kaum Animes laufen. Die gibt es fast nur auf Bezahlsendern wie z.B. WOWOW.
Ich habe ja die Theorie, dass das japanische Fernsehen sozusagen das Ende der Fernsehevolution darstellt und an Trivialität und Stumpfsinn nicht mehr zu überbieten ist. Und wir sind in Deutschland natürlich auf dem besten Weg in die gleiche Richtung.
Der Vorteil bzw. der große Unterschied ist, dass wir in Deutschland viel mehr frei empfangbare Sender haben und auch die Durchlässigkeit für neue Formate, sowie Filme und Serien, sehr viel höher ist. Gute Beispiele sind Stromberg (von The Office abgeschaut) oder sowas wie The Voice of Germany oder DSDS. Ehrlicherweise hat jede Folge DSDS höheren Unterhaltungswert als das komplette Tagesprogramm aller frei empfangbaren japanischen Sender ZUSAMMEN. Das will schon was heißen.
S.Roth
März 7, 2012 at 12:04 am