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Über Medien, Teil 6: Medien und Demokratie

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Der vorletzte Teil meiner kleinen Serie zum Thema Medien hat die Wirkung der Medien auf den demokratischen Prozess in Japan als Thema. Dazu werde ich kurz den Begriff der „Oeffentlichkeit“ umreissen und ihn dann in Verbindung mit den vorherigen Artikeln und der Rolle der Medien in Japan bringen.

Was ist „Oeffentlichkeit“?

Das sagt Wikipedia dazu (Hervorhebung von mir):

Der Begriff, ursprünglich nur im Sinne der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen o.ä. gebraucht, wurde in der deutschen Sprache ab dem späten 17. Jahrhundert für eine erst literatur- sowie kunstkritische, dann ab Mitte des 18. Jahrhunderts durch dieAufklärung zunehmend politisch-sozial werdende Öffentlichkeit gebräuchlich, die v.a. in den Theatern, Salons und Kaffeehäusern o.ä. der europäischen Städte entstand, in denen sich das Bildungsbürgertum traf, als eine die staatliche Autorität legitimierende und kritisierende Sphäre („bürgerliche Öffentlichkeit“). Man unterschied ab dem 17. Jh. zwischen „vermachteter“, d.h. staatlich-verwaltungstechnischer Öffentlichkeit und eben jener, der nicht-staatlichen, Öffentlichkeit, die später (im 20. Jh.) unter dem Begriff der Zivilgesellschaft als eine „nicht-vermachtete“ (Gegen-) Öffentlichkeit (Jürgen Habermas) bezeichnet wurde.

Habermas (via Wikipedia, Hervorhebung von mir):

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sieht Habermas (ähnlich wie Ferdinand Tönnies) den öffentlichen Diskurs zunehmend gefährdet. Ihm zufolge gerät die Publizität durch verschärften kapitalistischen Konkurrenzdruck in den Sog von partikularen Interessen. Mit Entstehung der Massenpresse und den ihr eigenen technischen und kommerziellen Gegebenheiten erfolgt eine „Refeudalisierung der Öffentlichkeit“: Die Kommunikation wird wieder eingeschränkt und dem Einfluss einzelner Großinvestoren unterworfen. Der ebenfalls im 20. Jh. starke Einfluss von Staaten, zumal von kriegführenden und totalitären, auf die Öffentliche Meinung, tritt bei Habermas dem kapitalistischen gegenüber ganz zurück.

Die entscheidenden Ideen fasse ich noch einmal kurz zusammen:

– Die Oeffentlichkeit als historischer Begriff bezeichnet einen Raum des oeffentlichen Diskurses, der den Staat gleichzeitig legitimisiert und kritisiert.

– Der oeffentliche Diskurs ist durch das System Kapitalismus bestaendig gefaehrdet, da der Kapitalismus inhaerent zum Monopol strebt und der Einfluss einiger weniger auf den oeffentlichen Diskurs ueberproportional gross ist. Das gilt fuer die Produktion von Informationen als auch Kultur.

Und was bedeutet das?

Angewandt auf das Beispiel Japan nehme ich zuerst einmal Bezug auf meinen Artikel ueber Japans Kulturindustrie. Darin habe ich hoffentlich erfolgreich dargelegt, wie kommerzialisiert und industrialisiert die Produktion von Kultur in Japan ist. Die Aufmerksamkeit, die AKB48 seit kurzem und Johnnies schon seit langem bekommt, basiert letzten Endes auf der professionellen Produktion und Distribution von Kultur. Das Gleiche Prinzip gilt auch fuer das Unterhaltungsfernsehen. 

Die Produktionsmittel liegen sowohl beim Inhalt als auch bei der Distribution ausschliesslich in den Haenden von wohlhabenden Investoren. Ueberspitzt koennte man Marx beruehmten Ausspruch „Opium des Volkes“ auch hier anwenden. Einige wenige Kapitalisten produzieren billige (= nur geringfuegige Variationen) und sinnleere Unterhaltung fuer die Massen. Heutzutage ist es eben nicht mehr die Religion sondern PopmusikUnterhaltungsshows und Nachrichten.

Mit anderen Worten:

– Einige wenige private Investoren (grosse Zeitungen, Fernsehsender, Nachrichtenagenturen, Verlage) dominieren nicht nur den Medienmarkt, sondern eben auch den oeffentlichen Diskurs mit der massenweisen und industriellen Produktion von Kultur (und damit sind ausdruecklich auch Nachrichten/Informationen gemeint).

– Weiterhin kann man den Begriff der Oeffentlichkeit auch noch mit dem Konzept des Watchdog/Lapdog aus meinem Artikel zur Rolle der Medien in Verbindung bringen: Wenn die Medien sich selbst eher als Lapdog oder euphemistisch „staatstragend“ sehen, gibt es fuer sie keinen Anreiz das System zu hinterfragen  oder zu kritisieren, wohl aber einen grossen Anreiz das System zu bewahren. Und die Medien in Japan sehen sich selbst eher als Wahrer des Status Quo und Teil des Systems denn als kritischer Wachhund zur Bewahrung der politischen Partizipation der Bevoelkerung

Medien und Demokratie

Habermas Befuerchtung, dass der Kapitalismus – ueber die Konzentration der Produktionsmittel von Informationen – die Sphaere des oeffentlichen Diksurses einschraenkt, ist meiner Meinung nach in Japan leider absolut korrekt. Die Einschraenkung des oeffentlichen Diskurses erklaert meiner Meinung auch zumindest zum Teil die politische Einstellung vieler Japaner, die letzten Endes auf Resignation („ich kann doch sowieso nichts aendern“) hinauslaeuft.

Demokratie basiert auf der Partizipation der breiten Masse am oeffentlichen Diskurs. Freie Wahlen als Form des oeffentlichen Diskurses gibt es und deshalb kann man Japan nicht ganz den Status als Demokratie absprechen, aber die Existenz einer Sphaere des oeffentlichen Diskurses sehe ich in Japan nicht als gegeben. Wie sagte doch einst ein Journalismusprofessor in Japan zu mir: „Japan ist nur eine halbe Demokratie.“.

Und dann kam das Internet …

Das Internet als dezentrales Medium  aendert das Model der Informationsverteilung in der Gesellschaft von „einer / wenige-zu-vielen“ zu „viele-zu-vielen“. Dank des Internets kann ich auch ohne teure Druckerpresse und Verlagshaus diesen Blog schreiben und potenziell Millionen Menschen erreichen.

One-to-one /Many-to-many model of communication

Das Medium selbst ist damit inhaerent demokratisch und foerderlich fuer den Rueckgewinn des offentlichen Diskurses fuer eine breite Oeffentlichkeit. Es gibt natuerlich Interessen, die dem zuwider laufen, wie aktuell SOPA/PIPA und ACTA zeigen. Viele traditionelle Medien in Deutschland haben auf das neue Medium reagiert und bieten mehr Partizipation auf ihren Online-Platformen (z.B. Foren, Kommentar-Funktionen) an. In Japan haben fast alle grossen japanischsprachigen Zeitungen (bis auf Sankei) online nur gekuerzte Artikel und keinerlei Kommentarfunktion. (Damit komment sie natuerlich nur aufgrund der Sprachbarriere durch.)

Wort des Tages: メディア理論 – media riron – Medientheorie

Written by hanayagi

März 19, 2012 um 11:48 pm

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