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„Der neue Zwang zur Freundlichkeit“

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Heute bei Zeit Online: http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2012-10/einzelhandel-umsatz-mitarbeiter-nettigkeit/komplettansicht

Artikel die „neue Trends“ behandeln, lese ich wenn ueberhaupt, dann mit einer gehoerigen Prise Skepsis und die folgende Diskussion sollte auch in diesem Geiste verstanden werden.

Es geht in dem Artikel darum, dass Angestellte im Einzelhandel hoeflicher agieren sollen. Hier ein paar nette Zitate aus dem Artikel und mein Kommentar dazu:

[…]Die festgelegten, auf Höflichkeit getrimmten Sätze passen nicht in ihre Welt. In der herrscht Personalnot, es fehlt immer an irgendeiner Stelle an etwas: an Zeit und Geduld. „Wir sind oft nur zu zweit im Laden, da bleibt keine Zeit, um so nett zu sein, wie Netto es sich wünscht“, sagt Schneider. Die Kunden würden manchmal sehr unfreundlich und ungeduldig.

In Japan spart man zwar auch soweit moeglich Personalkosten, aber im Einzelhandel habe ich eigentlich nie das Gefuehl, dass es zu wenig Mitarbeiter gibt, eher im Gegenteil. Und unfreundliche Kunden gibt es hier nicht.

Oft merkten die Kunden, dass die Mitarbeiterin nur Floskeln aufsage, statt sich ernsthaft um sie zu kümmern.

Hahaha. You know NOTHING, Jon Snow.

„Viele werden wütend, wenn man sie mit 08-15-Sätzen abspeisen will“. Ihr fällt es schwer, sich zu entschuldigen, wenn sie es nicht so meint. Oft beißt sie dann auf die Zähne und lächelt.

In Japan sind Standardfloskeln im Einzelhandel alles. Wuetend ist darueber niemand, solange es kein groesseres Problem gibt. Der/die einfache arubaito kennt nur das Schema F aus dem Handbuch und kann alleine keine Probleme loesen. Interessant wird es, wenn diese Floskeln ein Problem nicht loesen koennen und es in die naechsthoehere(n) Autoritaetsstufe(n) geht.

Dieter Zapf weiß, was die neuen Regeln mit den Mitarbeitern machen. Zapf ist Arbeitspsychologe und untersucht, wie sich die Arbeitswelt auf unsere Persönlichkeit und unser Wohlbefinden auswirken. Er sagt: „Die Kundenbindung geht in einigen Fällen zulasten der Mitarbeiter.“ Wer von seinem Chef in seinem Handeln eingeschränkt werde, erfahre oft einen zusätzlichen Druck – über das bisherige Maß hinaus, sagt Zapf. Das sei besonders bei Vorgaben so, an die man sich als Mitarbeiter sklavisch halten muss: an Sätze und Verhaltensmuster etwa, die vorgegeben werden, und bei denen die eigenen Emotionen unterdrückt werden. Wer auf Dauer Emotionen zeigen müsse, die er nicht empfindet, könne diese irgendwann gar nicht mehr empfinden.]

Hier musste ich doch sehr schmunzeln. Deutsche, lernt einfach mal ein bissel gaman.  🙂

Wort des Tages: 敬語 – keigo – Hoeflichkeitssprache

Written by hanayagi

Oktober 11, 2012 um 1:58 pm

Veröffentlicht in Alles mit Kultur, Links, Tagesgeschehen

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5 Antworten

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  1. Gestern stand ich zehn Minuten bei H&M an der Kasse, weil man lieber quatschte, als zu kassieren. Als ich endlich drankam, bekam ich nicht mal ein „hallo“. Klar, wir doofen Kunden werden immer meckrig, wenn man uns beachtet…

    Wie du es schon sagst, in Japan geht das doch auch. Aber na ja, den Berlinern ist die Unfreundlichkeit wohl in die Wiege gelegt worden.

    Julia

    Oktober 11, 2012 at 2:09 pm

  2. „Und unfreundliche Kunden gibt es hier nicht.“
    Das kann ich nicht unterschreiben. Auch in Japan gibt es sehr ruppige und ungeduldige Kunden. Wenn man im Einzelhandel, in der Gastronomie oder im Kundenservice arbeitet, braucht man nicht lange auf sie zu warten. Das Gros der Kunden ist disziplinierter – zu der Aussage kann ich mich hinreißen lassen. Aber nicht umsonst zählen Japaner zu den anspruchsvollsten Kunden. Selbst bei winzigen Kleinigkeiten, denen man anderswo nicht viel Bedeutung schenkt, wird schnell rumgemäkelt. Benutzt die arubaito dann noch falsche Höflichkeitssprache, kann es schnell zur Sache gehen.

    tabibito

    Oktober 11, 2012 at 4:02 pm

    • Hehe, ja. Ich denke dass Japaner (speziell oba-sans ab 40) oft schwierige und anspruchsvolle weil Service-verwoehnte Kunden sind.

      Und der obige Satz … naja der Artikel ist so ein „D. ist … und J. ist …“ und sollte als Glosse verstanden werden 🙂

      hanayagi

      Oktober 12, 2012 at 12:42 am

  3. Ich würde mal in den Raum werfen, der Unterschied ist im Großen und Ganzen, daß Kunden in Japan (z.B. auch Oba-sans ab 40) ein sehr hohes Niveau an Service erwarten, aber auch bereit sind, dafür zu bezahlen. Deutschen Kunden wählen im Zweifel immer den Preis statt Service – die Preise eines japanischen Supermarktes in Tokyo und Netto lassen grüßen (und ja, dafür gibt es auch andere Gründe, aber nicht nur). Ein Zitat aus dem Artikel: „Es fehlt immer an irgendeiner Stelle an etwas: an Zeit und Geduld.“ Davon gibt es in Japan reichlich. Einen, auch kleineren Supermarkt der mit nur zwei Personen besetzt ist kann ich mir in Japan nicht vorstellen.

    Master-Chief

    Oktober 12, 2012 at 9:55 pm

  4. In der Regel werde ich in Deutschland immer freundlich begrüßt, wenn ich freundlich grüße. Allerdings besuche ich auch keine Ramschläden wie hier genannten Netto. Allein die Innenausstattung dort gibt mir das Gefühl von „Hol, verdammt nochmal, dein Zeug und hau wieder ab“.

    In Japan ist mir aber der „Kassiermechanismus“ negativ aufgefallen. Ich meine, dass einige Verkäufer/innen sogar kurz verwirrt waren als ich sie begrüßt habe, so wie ich es halt auch in Deutschland gewohnt bin. Davon abgelassen habe ich aber nicht. 😉

    HamuSumo

    Oktober 21, 2012 at 5:28 pm


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