Archive for November 2014
Japan und Gender (mal wieder …)
Anlaesslich der nun beschlossenen Frauenquote in Deutschland hier mal ein paar schoene Statistiken:
Frauenanteil im Deutschen Bundestag (seit 2013): 36,5% (230/631)
Frauenanteil im Japanischen Unterhaus (seit 2012): 8,1% (39/480)
Japan nimmt damit Platz 134 / 156 auf der IPO „Women in Parliament„-Liste ein. In guter Nachbarschaft von Benin, Bhutan und dem Congo…. (Deutschland: Platz 21 … yay)
Als altlinker Frauenversteher interessiere ich mich natuerlich auch fuer den Frauenanteil pro Partei.
Deutschland:
CDU 24.8%
FDP 25.8% (bis 2013)
SPD 42.2%
Gruene 55.6%
Linke 56.3%
Man sieht ein deutliches rechts-links Gefaelle. Ist irgendjemand ueberrascht?
Aber keine Angst, im Vergleich zu Japan ist sogar die CDU fortschrittlich:
LDP 8.5%
DPJ 5.6% (2009: 14.9%)
Sonstige 10.3%
Was soll man da sagen? Die „linke“ DPJ hatte im Parlament von 2009 immerhin einen … „fortschrittlichen“ Wert von fast 15%.
Ja, ich lebe noch!
Ein paar Betrachtungen ueber das Web und die Welt …
Das Web: Genauer gesagt -> Japanblogs. Ich habe mir im Laufe der Jahre eine ganze Reihe Japanblogs angesehen. Die meisten verschwinden nach ein, zwei Jahren. (Mein eigener Blog war auch nur zwei Jahre oder so wirklich aktiv.) Also fragte ich mich, wie kommt das? Ich denke mal, da gibt es einfache Erklaerungen:
1) Viele Auslaender bleiben nur fuer 1 – 3 Jahre in Japan (Auslandsstudenten, JET) und hoeren bei ihrer Rueckkehr auf zu schreiben.
2) Wenn man laenger in Japan bleibt und sich ein Leben aufbaut (Vollzeitjob und Kinder) hat man weniger Zeit / Lust. (Ist zumindest bei mir so.)
3) Wenn man laenger in Japan bleibt, wird fast alles „normal“ und man hat die meisten Standardthemen wie Kyoto und Kirschbluete schon durch. -> Schreiben ist einfach weniger interessant.
In diesem Sinne: Kudos an den guten Tabibito, der es auch nach vielen Jahren immer noch schafft ziemlich regelmaessig Artikel zu schreiben.
Japanische Firmen:
Ich habe in meinen knapp acht Jahren in Japan in drei japanischen Firmen gearbeitet. Alle drei Firmen hatten einen Bezug zu Europa / Deutschland. Und alle drei hatten / haben keine Strategie, wie sie auf dem europaeischen Markt erfolgreich sein sollen bzw. wie sie mit europaeischen Partnern geschaeftlich verkehren sollen.
1) Eine grosse Software-Firma, die Handy-Apps herstellt: Der Plan war, das eigene Business-Model in eine „europaeische“ App zu giessen und damit Erfolg zu haben. Was hat die Firma gemacht? Eine Fussball-App. Mit Lizenzen fuer alle europaeischen Laender ausser …. Deutschland Naja, war halt zu teuer, vermute ich. Die App wurde dann von einem japanischen Programmiererteam programmiert und ein Uebersetzungsteam fuer die wichtigeren europaeischen Sprachen aus dem Boden gestampft. … dann gings los: Release der App! … 3 Monate spaeter wurde die App abgeschaltet, das Uebersetzungsteam aufgeloest und die Uebersetzer (inklusive mir) entlassen. Und das war das Ende der Geschichte. Und was mich am meisten dabei aergert: Es gab keine Strategie. Kein Marketing. Keine Marktforschung. Keine Kollaboration mit Games-webseiten oder Apple oder was auch immer. NIX. Vorschlaege IRGENDETWAS zu machen wurden abgeblockt und fuer meinen zaghaften Versuch einer Marktuebersicht in Deutschland bekam ich von Chef Mecker …
Ich habe daraus die Lehre gezogen nie wieder im japanischen IT Business zu arbeiten.
2) Meine Ex-Firma bis Sommer diesen Jahres verkauft deutsche Produkte auf dem japanischen Markt. Die Firma hat gravierende Probleme, was auch zu meiner Kuendigung fuehrte, aber die sind hier nicht relevant. Was ich immer wieder schockierend fand, war, dass auch nach fast zehn Jahren in Abhaengigkeit von der deutschen Mutterfirma niemand in der Firma irgendeine Ahnung von Business in Deutschland hatte.
Ein kleines Beispiel: Bei einem Meeting mit dem Chef der Mutterfirma hatte ich mein Anzugoberteil vergessen. Der japanische Chef merkte das natuerlich gleich und herrschte mich an, mir ein solches zu besorgen, egal woher. Also ging ich zu den Angestellten der deutschen Mutterfirma (auch einige Manager) und fragte, ob sie mir ihres fuer das Meeting leihen koennten. (Ging halt nicht anders.) Die Sache war nur, dass sie alle kein Anzugsoberteil dabei hatten! Warum nicht? Weil die Business-Etikette in J. und D. nun einmal verschieden sind. Needless to say …. dem deutschen Chef war mein fehlendes Anzugsoberteil herzlich egal ….
3) Meine jetzige Firma: Ich bin hier ziemlich zufrieden und denke ich habe eine sehr gute Entscheidung getroffen, als ich meiner alten Firma kuendigte. Diese Firma ist ziemlich gross (3000 Angestellte weltweit) und seit fast 20 Jahren in Europa (v.a. Deutschland) aktiv. Aber auch hier gibt es keine Business-Strategie!
Ich kann hier vieles nicht schreiben, aber hier ein paar Beispiele: Es gibt fuer unsere Produkte ungefahr ein halbes Dutzend Kataloge fuer die verschiedenen Produktkategorien. Uebersetzt ist nur der Hauptkatalog. Es gibt keine offizielle Firmenvorstellung. Die englische Homepage ist zum vergessen (zum Glueck hat unsere US Niederlassung eine vernuenftige HP und wir bekommen haeufig Anfragen von europaeischen Kunden ueber die US-Webseite …). … naja, viel Arbeit fuer mich 🙂
Zusammenfassend ist mein Eindruck von japanischen Firmen, dass sie keinerlei Strategie fuer europaeische Maerkte haben.
Die Politik:
Was soll ich dazu noch sagen. Fuer Ministerpraesident Abe ist es ein aussenpolitischer Erfolg, dass nach 2 Jahren (!) zum ersten Mal ein Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen (Herr Xi) zustande kam. Das ist kein Erfolg sondern ein ARMUTSZEUGNIS. Aber immer schoen weiter machen mit dem nationalistischen Getoese. Dauerstreit mit allen wichtigen Nachbarn ist bestimmt gut fuer Japan ….
Und dann war da noch die Sache mit den Neuwahlen. Abe laesst im Dezember neu waehlen, damit er im naechsten Jahr schoen mit seiner rechtsextremen Politik weitermachen kann. Er weiss, dass die Opposition schwach ist und er die Wahl gewinnen wird.
Die ganze Sache erinnert mich frappierend an Wahlen in den kommunistischen Paradiesen dieser Welt in denen alle paar Jahre der jeweilige grosse Fuehrer „demokratisch“ wieder-gewaehlt wird.
Nun ist Japan schon demokratischer als z.B. Nordkorea aber dieser fehlende Respekt vor der Bedeutung von Wahlen und vor dem Waehler finde ich einfach zum kotzen. WAHLEN EXISTIEREN NICHT FUER DEN POLITISCHEN VORTEIL DER REGIERUNGSPARTEI. … sondern zur demokratischen Meinungsbildung. Aber Herr Abe wuerde ja auch am liebsten die boese, boese „unjapanische“ Verfassung abschaffen.
Seufz. Und ich sehe nicht, dass Japan irgendwann einmal auf eine zukunftsorientierte Politik umschwenkt. Und wenn doch, dann wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
So, genug Arbeit geschwaenzt 🙂