Archive for November 2015
OT: Die Anschlaege in Paris
Hallo liebe Blogleser,
ich befinde mich gerade geschaeftlich in London und werde heute nachmittag weiterreisen nach Paris. Eiegentlich hatte ich vor, einen Artikel ueber Reisen in Japan und Europa zu schreiben, aber aus aktuellem Anlass habe ich das verschoben.
Paris also. Fuer mich bedeuten die Anschlaege mehr Sicherheitskontrollen und die Frage, wieviel mein Flieger sich wohl verspaeten wird. Angst habe ich nicht, aber ich werde trotzdem vom Flughafen direkt in mein Hotel fahren. Am Montag geht es dann mit Geschaeftspartnern an die Atlantikkueste und Dienstag nachmittag nach Deutschland.
Worueber ich aber eigentlich schreiben moechte, ist die politische Dimension der Anschlaege. Ich kann jetzt schon sehen wohin die Ereignisse fuehren werden. Das rechte Spektrum von UMP / CDU bis Front National / AFD / NPD reibt sich jetzt schon klammheimlich die Haende. Die „gemaessigt“ rechten Kraefte werden nun nach „Sicherheit“ und „Kontrolle“ rufen, die extrem rechten Kraefte werden jetzt stolz wie Oscar schreien „Wir haben’s euch ja schon immer gesagt: die Muslime sind alle Unmenschen!“ Und das wird jetzt ueber Jahre so bleiben. Wann immer es eine Diskussion gibt, ueber die Behandlung von nicht-Deutschen und „nicht Franzosen“ werden die Rechten die „Paris-Keule“ auspacken. Ganz egal, wie viele „nicht-Deutsche/Franzosen“ von den „echt-Deutschen/Franzosen“ in den letzten Jahren ermordet wurden.
Und so helfen sich die rechtsextremen Kraefte im mittleren Osten (allen voran die Verbrecher von ISIS) und in Europa gegenseitig und versuchen, die Uhr der Welt zurueckzudrehen in ein trauriges Zeitalter von schwarz und weiss, „wir“ gegen „die“ und vor allem eines: Unfreiheit.
Und so sehr mir die Opfer von Paris und ihre Angehoerigen leidtun, ich habe vor allem Sorgen um die Entwicklung des gesellschaftlichen Klimas und der Freiheit in Europa von jetzt an.
Und wenn ihr in den naechsten Tagen und Wochen das Medienbombardment zu Paris seht, fragt euch einfach mal, ob es wirklich notwendig ist, den hundertsten traenenruehrigen und informationsfreien Beitrag zu bringen, oder ob die Medien sich ob ihrer Profitgier hier zu Propagandaorganen der Rechten machen und die Angst und die Ressentiments von Omchen Mueller zynisch ausnutzen.
Mir tun jetzt schon die hunderttausenden syrischen Fluechtlinge in Europa leid, die jetzt alle ueber einen Kamm geschoren werden – und auch das ist ganz im Sinne von ISIS.
Mein Beileid den Opfern von Paris und den freien Gesellschaften in Europa.
Diskriminierung im Alltag
Zugegeben, das Thema hat einen Bart, aber trotzdem moechte ich noch einmal kurz Diskriminierung im Alltag in Japan diskutieren. Vielleicht liest ja der ein oder andere Japanresident noch mit, trotz meiner doch sehr seltenen Artikel 🙂
Diskriminierung also …
in meinem mittlerweile 10ten Jahr in Japan habe ich es mir hier sehr gemuetlich eingerichtet. Ich habe meinen festen Job mit meist freundlichen japanischen Kollegen, Frau/Familie und Nachbarn, die ich nicht kenne (= wesentlich besser als schreckliche Nachbarn).
Aus diesen Umstaenden folgt, dass ich nur sehr selten das Gefuehl habe, diskriminiert zu werden. Was aber doch ab und zu vorkommt:
- „der Blick“: Dieser Gesichtsausdruck, vor allem, aber nicht nur, von Kindern, wenn sie mich zum ersten Mal erblicken. Im Blick schwingt dann meist Erstaunen, Schock und Angst mit. Nun, ich bin auch gross und maennlich, ich kann mir also gut vorstellen, dass das den Effekt noch verstaerkt. „der Blick“ ist die Form der Diskriminierung, die ich am haeufigsten erlebe. Man koennte nun einwenden, ich solle nicht so zimperlich sein und „der Blick“ ist sowieso nur Einbildung etc. Aber mir tut „der Blick“ weh und macht mich wuetend. „der Blick“ ist fuer mich Ausdruck der komplett falschen Einstellung gegenueber Auslaendern in Japan. Das Kinder ihn besonders oft benutzen zeigt nur die Fehler ihrer Erzieher und dass Kinder nicht so gut im sich verstellen sind.
- „Englischen“. „Englischen“ ist zwar seltener als „der Blcik“, kommt aber viel haeufiger auch bei Erwachsenen vor. Es spielt dann zum Beispiel keine Rolle, dass ich mit Frau und Kind deutlich hoerbar auf Japanisch kommuniziere. Der Gedanke ist in etwa: Der ist Auslaender, ergo versteht er kein Japanisch (falsch) und redet nur English (falsch). Es gibt auch noch eine andere Variante von „Englischen“, wenn mein Gegenueber zwar mit mir Japanisch spricht, aber alle paar Sekunden irgendein englisches Wort einstreut. Nach dem Motto „der bloede Auslaender kann ja bestimmt keine komplizierten Woerter mit zwei oder mehr Kanji“. „Englischen“ passiert meist mit eher aelteren Japanern. Meine Schwiegermutter hatte das auch jahrelang und es ist nur ganz langsam besser geworden. Mein Schwiegervater, der geschaeftlich oft in den USA ist, hat mich interessanterweise nie ge“Englischt“.
Und das war’s dann eigentlich auch schon. „Der Blick“ und „Englischen“ sind mit Abstand die haeufigsten diskriminierenden Ereignisse fuer mich. Man kann natuerlich argumentieren, dass die Diskriminierung auf Arbeit, im Gesetz usw. viel wichtiger ist, und das ist wahrscheinlich sogar richtig, aber hier geht es ja um den Alltag.
Und wie oben schon beschrieben, habe ich mir hier mein Leben ganz angenehm eingerichtet, so dass obige Aergernisse nicht allzu oft vorkommen. Aber vorkommen tun sie eben doch.
Ganz nebenbei, eine Sache, die mich generell stoert in Japan, die ich aber nicht direkt als Diskriminierung ansehe, ist dass Aerzte generell nur sehr niedrige Dosen fuer Medizin verordnen. Ich bin mittlerweile dazu uebergegangen, die meisten Verordnungen von Aerzten mit dem Faktor 1.5 / 2 zu multiplizieren. Ich merke das am meisten bei Schmerz- / Erkaeltungsmedikamenten. Wenn ich da die verordnete Menge nehme, spuere ich oft ueberhaupt keine Verbesserung. Verdopple ich die Menge geht es mir oft VIEL besser. (Bei ernsthaften Medikamenten klaere ich eine solche „Ueberdosierung“ aber generell ab.) Interessant auch, dass, wenn man im Internet Medikamentendosierungen nachschlaegt, dass dann die empfohlenen Dosierungen auf westlichen Internetseiten und japanischen Internetseiten oft verschieden sind. Konkretes Beispiel: Ich muss jeden Tag ein bestimmtes Medikament nehmen um einer chronischen Krankheit und Schmerzen vorzubeugen. Mein Arzt hatte mir eine Dosierung von 10 mg / Tag verschrieben. Diese Dosierung hatte zwar eine bestimmte Wirkung, aber ich hatte immer noch Schmerzen. Also habe ich mal geschaut, was die empfohlene Dosierung in englischsprachigen Medien ist, und siehe da, da stand 40 mg. Bei meinem naechsten Arztbesuch habe ich dann mit meinem Arzt darueber gesprochen und nehme jetzt 20 mg pro Tag und bin beschwerdefrei.
Und was steckt dahinter? Ich glaube zweierlei: Erstens habe ich das Gefuehl japanische Aerzte verordnen so wenig „harte“ Medizin wie moeglich (was wahrscheinlich gut ist) und zweitens japanische Aerzte verordnen fuer 60 kg Durchschnittsjapaner. Fuer mich mit ueber 100 kg Koerpergewicht ist das schlicht die falsche Bemessungsgrundlage.
Also, liebe Japanresidenten, was sind eure Erfahrungen mit Diskriminierung hier?