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Archive for the ‘Tagesgeschehen’ Category

Brillen ohne Gläser

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Neues aus dem Land des unbegrenzten Kommerz und der unbegrenzten Eitelkeit! Es ist mir zuerst bei einer jungen Kollegin auf Arbeit aufgefallen und dann bei einer Schülerin von mir. Beide trugen Brillen ohne Gläser. Ich dachte zuerst „wtf!“ und steckte einen Finger durch die Brille hindurch um auch ganz sicher zu gehen. Aber ich hatte mich nicht geirrt. Darauf angesprochen meinte meine Kollegin, dass sie die Fake-Brille bräuchte um ihr fehlendes Make-up zu überspielen. Hmm, interessant. Meine Schülerin wollte einfach nur hip & cool sein. Mhm. Seit diesem Erlebnis fallen sie mir öfter mal auf, so auch gestern in Shibuya.

 

Das fand ich interessant und habe meiner Frau und meiner Schwiegermutter davon erzählt. Meine Frau hatte keine Ahnung wovon ich rede, aber meine Schwiegermutter, die Klatsch über alles liebt, war natürlich voll im Bilde.  Sie erklärte mir dann auch, dass der Kram „date-megane“ (megane = Brille) genannt wird. Eine kleine Recherche bei Wikipedia brachte dann zu Tage, dass  es zwei einander nicht ausschließende Erklärungen für den Namen gibt:

1) Date kommt von „tatsu“ (stehen, aufstehen) so wie in „medatsu“ (hervorstechen, auffallen) oder „otoko ga tatsu“ (ein echter Mann). „Date-megane“ würde demnach tatsächlich als „Auffallen-Brille“ bezeichnet werden. Im Deutschen sagt man vielleicht eher  „Angeber-Brille“, aber damit kommt auch eine negative Konnotation.

2) Interessant ist auch, daß „date-megane“ mit den Kanji von Date Masamune geschrieben wird, einem Daimyo aus der Sengoku-Zeit.

 

Generell soll die Fake-Brille den Träger cooler und ursprünglich männlicher machen. Im Moment scheint sie aber vor allem bei Mädchen und jungen Frauen als Modeaccessoire beliebt zu sein.

     

Wer schoen sein will, muss … daemlich sein?

 

Komische Leute, diese Japanerinnen.

 

Wort des Tages:目立ちたがり屋 – medachitagariya – Angeber, Blender (der schoene englische Ausdruck „attention whore“ ist hier eine schoene Uebersetzung)

Written by hanayagi

April 5, 2012 at 2:01 am

Geheimes Memo der japanischen Regierung

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Aus gut informierter Quelle weiß ich, dass in der Japan Times Ausgabe von Morgen ein geheimes Memo der japanischen Regierung (Kan-Kabinett) zum Thema Atomkraft nach Fukushima abgedruckt werden wird. Ich habe nur eine kurze Zusammenfassung erhalten, so dass ihr euch bis Morgen gedulden müsst für die genauen Details. Aber auch die Zusammenfassung hat es in sich.

Das Memo war für den Tepco-Aufsichtsrat bestimmt und besagte kurz gesagt:

1) Die japanische Regierung hat den Stresstest aller japanischen Atommeiler nur angeordnet um die oeffentliche Meinung zu beruhigen

2) Das Memo sichert Tepco zu, dass der Test auf jeden Fall ein positves Ergebnis haben wird

3) Weiterhin geht die Regierung im Memo davon aus, dass die Atomkraftwerke nach dem „erfolgreichen“ Stresstest noch in diesem Jahr wieder angefahren werden können, vielleicht schon im September/Oktober

Bin gespannt auf das volle Memo!

Wort des Tages: スクープ – sukuupu – Topstory (von engl. scoop)

Written by hanayagi

April 1, 2012 at 2:11 am

Piraten!

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Normalerweise schreibe ich hier alle zwei Tage einen Artikel, aber heute Morgen bin ich beim Zeitung lesen ueber dieses wunderbare Bild gestolpert:

Die künftige Fraktion der Piraten vor dem Saarländischen Landtag: Michael Hilberer, Landesvorsitzende Jasmin Maurer, Michael Neyses und Andreas Augustin (von links)

Es stammt aus einem Artikel bei Zeit Online zum Thema Landtagswahl im Saarland und dem Erfolg der Piratenpartei dort. Die vier Personen auf dem Bild sind die Landtagsabgeordneten der Partei dort.

Was ich daran so faszinierend finde, ist die absolute Unvorstellbarkeit dieses Fotos in Japan.

Und so sehen Politiker in Japan aus. Immer.

Und so sehen Piraten in Japan aus.

Politiker in Japan sind zu 90% maennlich (im Parlament gibt es genau 11.3% Frauen) und tragen IMMER einen Anzug mit Krawatte bzw. bei den Frauen Geschaeftsanzug.

Die Vorstellung einer Piratenpartei an sich, junger Politiker (= unter 50) und Politikern in CASUAL Dresscode … das ist soweit weg von der Realitaet in Japan, dass es schon witzig ist.

In Japan gilt eben immer noch: Nur „anstaendige“, „serioese“, alte, reiche Maenner koennen Politiker werden …

Ich werde heute Abend diesen Artikel mal meiner Schwiegermutter zeigen, bin gespannt auf ihre Reaktion.

Wort des Tages: 海賊 – kaizoku – Pirat(en)

Written by hanayagi

März 27, 2012 at 2:41 am

Über Medien, Teil 5: Die Rolle der Medien in Japan

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Der heutige Teil meiner kleinen Artikelserie ist noch einmal etwas theorielastig. In diesem Artikel werde ich zuerst über „Pressclubs“ und die Struktur der Medien in Japan schreiben und dann die Begriffe Lapdog und Watchdog und ihre Bedeutung für Japan erklären.

Industriestruktur

In meinem ersten Artikel zum Thema Medien beschrieb ich die industrielle Produktionsweise von Kultur in Japan anhand der Beispiele AKB48 und Johnny’s. Heute möchte ich zuerst einmal einen Überblick über die Konzentration von medialer Macht in Japan geben und wie diese Konzentration ein undemokratisches System der Informationsverarbeitung mit dem Kern „Pressclubs“ schafft und unterhält.

1) In meinem Artikel zum Thema Fernsehen in Japan habe ich geschrieben, dass es in Japan beim (kostenlosen) terrestrischen Fernsehen im Normalfall etwa neun – zehn Kanäle gibt, die man schauen kann. Diese Kanäle beinhalten für gewöhnlich: NHK (staatliches Fernsehen), Nihon TV, TBS (Tokyo Broadcasting System), TV Tokyo, Fuji TV und TV Asahi  plus ein oder zwei regionale Stationen.

2) Im Printsektor sieht es kaum anders aus: Die „big 5+1“ aus meinem Artikel zum Zeitungsmarkt in Japan (Yomiuri, Asahi, Mainichi, Nikkei, Sankei und Tokyo Shimbun) dominieren die „seriösen“ Printmedien. Selbstverständlich (?) sind Zeitungen und Fernsehsender durch wechselseitige Beteilungen miteinander verwoben.*

*Die Boulevardmedien haben mit der Werbeagentur Dentsu ihr eigenes Abhängigkeitsproblem.

3) Damit haben wir zwei wichtige Spieler in der Informationsindustrie, aber es fehlt noch das japanische Pendant zu Reuters/AP und da hat Japan gleich zwei: Jiji Press (時事通信) und Kyodo Press (共同通信). Der Einfluß der Presseagenturen ist nicht zu unterschätzen, schaut einfach mal aufmerksam in der Zeitung nach den Quellen (meist am Anfang oder Ende eines Artikels).

Pressclubs

Ich fasse also zusammen: sechs nationale Fernsehsender, 5+1 nationale Zeitungen und zwei Presseagenturen und alle sind sie durch Betiligungen (cross-ownership) miteinander verbunden. Jetzt werden sich einige Leser sagen „Na und? Ist in Deutschland doch auch so?“. Das stimmt soweit auch, nur der grosse Unterschied ist, wie sich diese Informationsvermittler organisieren. In Japan geschieht das über sogenannte Pressclubs (記者クラブ). Diese Pressclubs gibt es in jedem japanischen Ministerium und natürlich im Parlament, Parteizentralen sowie einigen großen Firmen und anderen Institutionen. Die Mitglieder der Pressclubs sind meist die oben aufgelisteten Organisationen plus gegebenenfalls regionale Zeitungen/Fernsehsender.

Das tägliche Geschäft eines Pressclubs besteht darin, Informationen aus der jeweiligen Organisation zu verarbeiten und in publikationsfähiges Format zu gießen. Konkret bedeutet das z.B. an Pressekonferenzen teilnehmen und Pressemitteilungen bzw. Memos zu lesen. Ein Journalist in einem Presseclub bleibt dabei normalerweise über mehrere Jahre im selben Pressclub und wird so zum Fachreporter. Soweit, so gut, oder? Der Teufel liegt wie immer im Detail und ich möchte hier einige der größten Probleme auflisten:

1) Nur Medien die „dazugehören“ bekommen die Erlaubnis in einem Pressclub mitzuarbeiten. Damit wird von vornherein missliebige Konkurrenz ausgeschlossen.

2) Die Reporter und Firmen in den Pressclubs konkurrieren zwar durchaus miteinander, aber in den Pressclubs selbst sehen die Reporter sich als eine Einheit und haben Regeln, die man beachten muss, will man nicht als Aussätziger behandelt werden. Ich möchte jetzt nich zu sehr ins Detail gehen, aber ein Beispiel sei gestattet. Pressclubs haben oft sogenannte „Embargos“. Das bedeutet, dass eine Information nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt heruasgegeben wird.  Wer ein „Embargo“ bricht, ist unten durch. Noch einmal deutlich gesagt: Hier wird Information zurückgehalten aufgrund von Gruppendruck.

3) In Punkt zwei wurde es schon ansatzweise deutlich, aber ich möchte es noch einmal hervorheben: Die Journalisten in den Pressclubs sind von ihrer jeweiligen Organisation abhängig. Wenn sie es sich mit ihr verscherzen, gibt es keine Informationen mehr und die Journalisten sind ohne Arbeit. Die Organisationen nutzen diesen Einfluß natürlich und manipulieren Informationen in ihrem jeweiligen Interesse. Es sind dann auch dieselben Quell-Organisationen, die z.B. Embargos verhängen und z.B. negative Bilanzen erst zu einem günstigen Zeitpunkt freigeben.

4) Reporter bleiben nicht nur lange im selben Pressclub, sondern sollen auch versuchen gute Beziehungen zu wichtigen Personen in der jeweiligen Organisation aufbauen um „Insider“Informationen zu bekommen. Das Problem dabei ist, dass der Reporter diese Informationen dann nicht veröffentlichen kann, da er zu nah am jeweiligen Politiker/Firmenlenker ist und seine Beziehung nicht riskieren möchte.

5) Die Organisationen wissen natürlich um die Nähe und Abhängigkeit der Reporter und sind ihnen gern behilflich mit Räumen und Büromaterial. Eine Hand wäscht die Andere …

Zusammenfassend gibt es also folgende Hauptprobleme: 1) Zu gr0ße Nähe von Reporter und Organisation, daraus folgend Abhängigkeit der Reporter, 2) Exklusivität der Mitgliedschaft, daraus folgend Gruppenbewusstsein und Gruppendruck.

Dieses System hat in Japan zu einigen faszinierenden Storys geführt, von denen ich eine besonders aufschlußreich finde:  Der Lockheed Skandal. Der damalige japanische Premierminister Tanaka Kakuei ließ sich von Lockheed bestechen (ich glaube, es ging um Flugzeugverkäufe). Die Story wurde zuerst von einem Shuukanshi (siehe Zeitschriften in Japan) veröffentlicht. Die „seriösen“ Medien in Japan ignorierten das jedoch. Die New York Times in Amerika allerdings bekam Wind davon und dadurch wurde es in den USA eine Story und es gab eine Senatsanhörung. Zu diesem Zeitpunkt konnten auch die „seriösen“ Medien die Story nicht mehr ignorieren und der Skandal wurde auch in Japan offiziell, mit Herrn Tanakas Rücktritt und Gefängnisaufenthalt als Resultat.

Ich möchte noch einmal hervorheben, dass die japanischen Medien die Story von Anfang an kannten, sie aber willentlich ignorierten bis sie es nicht mehr konnten. Und es ging um eine Story, die wichtig genug war, um nicht nur zum Rücktritt des Premierministers zu führen sondern zu seiner rechtskräftigen Verurteilung. (!!!)

Und wie kam es dazu? Herr Tanaka war ein sehr mächtiger Mann in der dauerregierenden LDP und wahrscheinlich der mächtigste Mann in Japan zu dem Zeitpunkt. Es waren natürlich auch Reporter von allen Mainstreammedien auf ihn angesetzt (und zwar aus einigen zentralen Pressclubs „Premierminister“, „LDP“ usw.) und diese Reporter taten, was von ihnen erwartet wurde: Sie bauten gute Beziehungen zu ihm auf – wurden abhängig. Und auch als ihnen klar wurde, was geschah, war ihnen der Schutz ihres Freundes/ihrer Quelle wichtiger als das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen. (Aus der Erinnerung, falls Details nicht stimmen bitte Bescheid geben.)

„Watchdog“ oder „Lapdog“

In der Medienwissenschaft gibt es den Begriff „Watchdog“ oder zu Deutsch „Wachhund“, der die Funktion der Medien als Wachhund von Politik und Gesellschaft beschreibt. Die Rolle der Medien besteht dieser Interpretation zufolge darin, Missstände (= Skandale) aufzudecken und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Ein berühmtes Beispiel ist der Watergate Skandal, der von Bob Woodward und Bernstein aufgedeckt wurde, und zu Richard Nixons Rücktritt als U.S. Prädsident führte.

Dem gegenüber steht „Lapdog“ oder „Schoßhund“-Journalismus, der ebenfalls ein berühmtes Beispiel hat. Ich kopiere hier einfach einmal schamlos von Wikipedia (Hervorhebung von mir):

[…] Her front-page story quoted unnamed „American officials“ and „American intelligence experts“ who said the tubes were intended to be used to enrich nuclear material, and cited unnamed „Bush administration officials“ who claimed that in recent months, Iraq „stepped up its quest for nuclear weapons and has embarked on a worldwide hunt for materials to make an atomic bomb“. Miller added that

„Mr. Hussein’s dogged insistence on pursuing his nuclear ambitions, along with what defectors described in interviews as Iraq’s push to improve and expand Baghdad’s chemical and biological arsenals, have brought Iraq and the United States to the brink of war.“

Shortly after Miller’s article was published, Condoleezza Rice, Colin Powell and Donald Rumsfeld all appeared on television and pointed to Miller’s story as a contributory motive for going to war. Miller said of the controversy, „[M]y job isn’t to assess the government’s information and be an independent intelligence analyst myself. My job is to tell readers of the New York Times what the government thought about Iraq’s arsenal.“ Some have criticized this position, believing that a crucial function of a journalist is independently to assess information, to question sources, and to analyze information before reporting it. […]

Wer zu faul war, das zu lesen, oder kein Englisch spricht: Frau Miller hat Informationen aus dem Weißen Haus unter Bush über irakische Massenvernichtungswaffen (speziell atomare Waffen)  unkritisch übernommen und damit wissentlich oder unwissentlich Kriegspropaganda betrieben.

Nach meinen Auführungen oben, denke ich, es sollte deutlich sein, dass Japans „seriöse“ Medien eher ein „Lapdog“ als ein „Watchdog“ sind.
Abschließend noch ein Zitat vom Auswärtigen Amt Deutschlands, das ich sehr gelungen finde (Nummerierung von mir):

(1) Die großen japanischen Medien berichten meist objektiv und detailliert und verstehen sich als tragende Säule von Staat und Gesellschaft, weniger als vierte Gewalt. (2) Die so genannten Presseclubs, die von Regierungsstellen, Verbänden und wichtigen Wirtschaftsunternehmen unterhalten werden, schaffen eine größere Interessengemeinschaft zwischen den großen Medien einerseits und Staat und Wirtschaft andererseits, als dies in Deutschland denkbar wäre. (3) Bemühungen der seit 2009 regierenden Demokratischen Partei DPJ, die exklusive Rolle der Presseclubs einzuschränken, sind bisher nicht erfolgreich verlaufen.

(1) Ich sehe japanische Medien mittlerweile mehr als öffentliche Verlautbarungsorgane denn als verlässliche Informationsquellen. Wie sagte eine japanische Bekannte noch zu mir? „Seit Fukushima lese ich die Asahi Shimbun nicht mehr. Die teilt mit Tepco das Bett.“ (sie favorisierte übrigens die Tokyo Shimbun)

(2) Schön diplomatisch formuliert! In Deutschland wäre das undemokratisch und wahrscheinlich illegal.

(3) Ja, versucht haben sie es, ist aber zum großen Teil am Widerstand der Medien und anderer interessierter Parteien gescheitert.

Wort des Tages: 記者クラブ – kishakurabu – Pressclub

Written by hanayagi

März 11, 2012 at 5:08 am

Herr Hirata und die japanische Polizei

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Ich habe an anderer Stelle mal die Polizei in Japan gelobt, da unser Blockwart  Polizist um die Ecke uns vorbildlich vor einem Exhibitionisten in unserer Nachbarschaft gewarnt hat. Ich denke immer noch, dass die japanische Polizei praktisch ist, wenn man z.B. irgendwohin moechte und den Weg nicht kennt. Was allerdings die Kriminalitaetsbekaempfung angeht, hmm, da habe ich so meine Zweifel.

P1420976s

Wie immer sehen Japaner einfach besser aus in Uniform.

Fallbeispiel 1 ist dieses beruehmte Youtube Video:

Ein nackter, besoffener Mann vor dem Kaiserpalast. Ja, ist schon ganz schoen gefaehrlich! Mal im Ernst: Wie kann die Polizei da so aengstlich und zimperlich sein? Waschlappen.

Fallbeispiel 2 ist der Fall von Herrn Hirata, der sich am 31.12.2011 der Polizei gestellt hat. Herr Hirata ist/war Mitglied der Aum Shinrikyou oder auch Aum Sekte in Deutschland. Der Mann wird seit mittlerweile 17 Jahren fuer Entfuehrung, Freiheitsberaubung und Beihilfe zum Mord gesucht. Er soll als Fahrer geholfen haben, einen Notar zu entfuehren und umzubringen. (Dessen Schwester wollte die Sekte verlassen.)  Es ist auch moeglich, dass er mit dem Giftgasanschlag in der Tokyoter U-Bahn von 1995 zu tun hatte. Dieser Herr Hirata also steht seit 17 Jahren auf den Fahndungsplakaten der Polizei im ganzen Land, so auch in meiner kleinen Station. Am 31.12.2011 dann versuchte er sich zu stellen und was dann folgte ist eigentlich unglaublich: Die Aum-Hotline, die er anrief, war besetzt und so rief er 110 (der offizielle Notruf in Japan) an. Man schickte ihn dann zu Tokyos Polizeizentrale, wo man ihm nicht glauben wollte und von einem schlechten Scherz ausging.  Er wurde schliesslich zur Marunouchi Polizeistation geschickt, wo er dann endlich festgenommen wurde. Noch einmal zur Erinnerung: Herr Hirata ist einer der meistgesuchten Verbrecher Japans und in JEDER Polizeistation haengt ein Bild von ihm. (Die ganze Geschichte gibt es auch ausfuehrlich bei der Japan Times.)

Auch interessant ist, dass Herr Hirata die 17 Jahre in Japan (!) verbracht hat und zwar zusammen mit einer Angehoerigen der Aum-Sekte. Weiterhin gibt Herr Hirata an, aufgrund der Ereignisse des letzten Jahres (Erdbeben, GAU) einen Wandel des Herzens gehabt und sich deshalb gestellt zu haben. Und er glaube sowieso nicht mehr an die Sekte und den Herrn Asahara (ehem. Guru von Aum) mag er auch nicht mehr. So, so. Nach 17 Jahren, hm? Ein Polizeiangehoeriger dazu: „Alles Luege, dem geht es nur darum, den Vollzug der Todesstrafe fuer Asahara herauszuzoegern.“ Ich bin geneigt ihm zu glauben.

Aber Herr Hirata ist nicht der einzige Verbrecher in Japan, der seit Jahrzehnten gesucht wird. Dazu dann mal ein paar Bilder von meiner oertlichen Polizeistation:

Die beiden Bilder ganz rechts sind Angehoerige der japanischen rote Armee Fraktion. (1971 – 2001)

In der Mitte war Herr Hirata abgebildet. Die beiden anderen Aum-Mitglieder sind noch immer auf freiem Fuß.

Das ist Herr Koike, der Brandstiftung und des zweifachen Mordes angeklagt. Herr Koike wird seit 11 Jahren per Steckbrief gesucht. Toll ist auch die Drohung auf dem Plakat: „Bald ist es soweit Koike!“ Ja, da haette ich auch Angst nach 11 Jahren …

Das ist Herr Kirishima. Er wird (als einer von mehreren Taetern) seit 1975 fuer mehrere Bombenattentate gesucht. Damals war er 21 Jahre alt. Und jetzt 58? Da koennte es dann wirklich schwierig sein ihn zu erkennen …

Aber kehren wir zum Thema Polizei in Japan zurueck. Mein Eindruck ist: Die Polizei ist dein „Freund und Helfer“ in allen Lebenslagen, aber als Verbrecherjaeger taugt sie nur sehr bedingt. Wenn man dann an die geringe Kriminalitaetsrate in Japan denkt, muss die Frage wohl lauten, ob Japan nicht wegen, sondern trotz seiner Polizei so sicher ist. Meine Frau meinte zu dem Thema letztens, die Polizei sei einfach nicht an echte Verbrechen gewoehnt und deshalb im Fall der Faelle ueberfordert.

Wort des Tages: 平和ボケ – heiwaboke – Frieden + Idiot (Damit meinen Japaner ihre eigene Unfaehigkeit mit den Unbillen (z.B. boese Taschendiebe im noch boeseren Ausland) dieser Welt fertig zu werden.)

Written by hanayagi

Februar 16, 2012 at 7:33 am

Nationales Referendum zum Thema Atomkraft in Japan?

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Wie ich in „Pro und Contra Atomkraft in Japan“ schon erwaehnt habe, moechte ich heute ueber den Ausgang die Initiative „Genpatsu Tomintouhyou“ berichten. Bei der Initiative geht es im Kern darum, ob Japan weiterhin Atomkraft betreiben oder den Ausstieg vorbereiten soll. Dazu wurde eine Stimmensammlung in den beiden Staedten Tokyo und Osaka angestrengt. Die Abstimmungsfrist fuer den Entscheid in Tokyo laeuft heute ab und es sieht so aus als ob die Sache ein Erfolg war. Einen Tag vor Ende der Frist haben Freiwillige fuer die Initiative bereits 241000 Stimmen gesammelt, waehrend nur 214000 Stimmen benoetigt wurden. Dadurch ist es moeglich einen lokalen Volksentscheid in Tokyo herbeizufuehren. Die Aktion war auch in Osaka erfolgreich.

Wenn diese Volksentscheide dann tatsaechlich in den beiden größten Staedten Japans erfolgreich sein sollten, würde das beträchtlichen Druck auf Japans Politiker ausüben, ein nationales Referendum zum Thema durchzuführen. Ein solches Referendum ist laut japanischer Verfassung durchaus möglich. Es wäre dann zwar juristisch nicht bindend aber der öffentliche Druck würde mit Sicherheit beträchtlichen Einfluss auf die Atompolitik in Japan ausüben.

Wer sich selbst ein wenig einlesen möchte, hier geht es zur offiziellen englischen Webseite der Organisatoren. Die Abstimmungsergebnisse sind im Moment nur auf der japanischen Webseite zu finden (Tokyo / Osaka).

Nun kann man über die Erfolgsaussichten der Initiative geteilter Meinung sein und tatsächlich hat es in Japan noch nie ein nationales Referendum gegeben und man sollte den Einfluß der Energielobby und der von ihr gekauften Politiker nicht unterschätzen. Auch der japanischen Presse traue ich nicht über den Weg und kann mir durchaus vorstellen, dass sie das Thema totschweigt oder einen negativen politischen Spin hinzufügt. (In der Asahi-Shimbun sowohl Englisch als auch Japanisch gab es letztens immerhin einen kurzen Bericht zur Abstimmung in Tokyo.) Da müssen wir uns wohl ein wenig gedulden.

Für den Moment finde ich aber vor allem wichtig, dass die Initiative eine öffentliche Diskussion über das für und wider der Atomkraft auslöst oder verstärkt. Und dafür wird es wirklich absolut Zeit. Auch nach Fukushima bin ich noch nicht davon überzeugt, dass die Eliten in Japan bereit sind darüber eine nationale Diskussion zu führen. Derzeit sind fast alle Reaktoren heruntergefahren, aber das ist nur eine temporäre Maßnahme und ich habe das Gefühl, dass man versucht Gras darüber wachsen zu lassen. Bei einem eventuellen nationalen Referendum kämen Energieindustrie und industrienahe Politiker nicht so einfach damit durch.

Ich jedenfalls wünsche der Initiative alles Gute und bin gespannt, wie es weitergeht.

 

Weitere Links zum Thema Referendum in Japan:

http://www.japantimes.co.jp/text/nn20120131i1.html

http://ajw.asahi.com/article/views/editorial/AJ201111280008

Falls jemand irgendwo einen deutschen Artikel zum Thema gesehen hat, bitte in den Comments verlinken.

 

Wort des Tages: 国民投票 – kokumontouhyou – nationales Referendum

Written by hanayagi

Februar 9, 2012 at 6:50 am

Veröffentlicht in Tagesgeschehen

Propaganda: Pro und Contra Atomkraft in Japan

with 4 comments

So, es ist mal wieder Zeit fuer eine Uebersetzung. Heute geht es um Politik und Kernkraft in Japan und damit natuerlich auch um Fukushima. Jetzt stelle ich euch ein Lied von Herrn Takada Wataru vor: „Lasst uns bei Touden arbeiten!“ (東電に入ろう – touden ni hairou). Touden ist die Abkuerzung von Tokyo Denryoku oder auch Tepco im Ausland.  Ausserdem gibt es da noch ein Wortspiel und die Schriftzeichen fuer „touden ni hairou“ werden mit den Zeichen 倒電に廃炉  (touden ni hairo) geschrieben, was in etwa bedeutet: „Konkurs fuer Touden, reißt die Reaktoren ab!“.

In dem Lied kritisiert Herr Takada die Atompolitik und die tatsaechlich sehr einseitige (lies: verlogene) Informationspolitik von Japan’s Atomindustrie und Politik. Ich habe NACH der Uebersetzung entdeckt, dass es auch eine Englisch untertitelte Version auf Youtube gibt *seufz* Naja, ist trotzdem gut auch eine deutsche Uebersetzung zu haben.

Das Video hat uebrigens knapp 200.000 Views auf Youtube mittlerweile. (Englische Version hier.)

皆さんがたの中に                                                    Ist hier nicht jemand
東京電力に入りたい人はいませんか                  Der gern bei Tokyo Denryoku arbeiten moechte?
ひと旗あげたい人はいませんか                           Gibt es nicht jemanden, der sein Koennen beweisen will?
東電じゃ人材もとめてます                                     Touden sucht neue Arbeiter

東電に入ろう 東電に入ろう                                     Lasst uns bei Touden arbeiten
東電に入ればこの世は天国                                   Bei Touden arbeiten ist das Paradies auf Erden
男の中の男はみんな東電に入って花と散る       Echte Maenner arbeiten bei Touden und fallen

Aus Platzmangel:                                                  wie Bluetenblaetter

(2)
スリルを味わいたい人いたら                                    Wer den Thrill sucht
いつでも東電にお越しください                                  Ist immer bei Touden willkommen!
ウランでもプルトニウムでもなんでもありますよ     Hier gibt es Uran, Plutonium … einfach alles!
下請け使えば平気です                                              Alles kein Problem dank Subunternehmern!

Refrain
(3)
原発推進派のみなさんは                                           Alle Atomkrafbefuerworter
原子炉の真下にお集まりください                             Versammelt euch direkt am Atommeiler!
いますぐ体に悪いわけじゃありません                      Jetzt sofort wird es euch ja nicht schaden!
シャワーで洗えば平気です                                        Nehmt einfach eine Dusche und alles ist gut!

Refrain
(4)
原発はクリーンなエネルギーです                              Atomenergie ist sauber
プルトニウムはそんなに怖いもんじゃありません     Plutonium ist gar nicht so gefaehrlich!
放射能出すといっても半減期は                                  Ja stimmt, es strahlt, aber die Halbwertszeit
たったの2万と4千年です                                             betraegt gerade einmal 24000 Jahre!

Refrain
(5)
日本のエネルギーを支えるには                                Um Japans Energiebedarf zu stillen
原子力に頼らないといけません                                 Brauchen wir Atomkraft!
多少の被爆はやむをえません                                   Ein bisschen Verstrahlung laesst sich zwar nicht vermeiden
イソジン飲んでおけば平気です                                  Ein bisschen Jod trinken und alles kein Problem!

Refrain
(6)
使用済みの核燃料はぜんぶまとめて                     Aufgebrauchte Brennelemente koennen wir einfach alle in
ドラム缶に詰めたらだいじょうぶ                                Faesser stecken und alles ist gut!
六ヶ所村のプールで冷やしてます                            Wir kuehlen sie in Rokkashomura
たったの300年のがまんです                                    Muessen  uns ja nur 300 Jahre gedulden!

Refrain
(7)
水が漏れてるけど騒ぐんじゃない                             Wasser laeuft aus, aber regt euch nicht auf
煙が出てるけどあわてるな                                         Rauch steigt auf, aber bleibt ganz ruhig!
屋根が吹っ飛んだけど全然だいじょうぶ                  Das Dach ist explodiert, aber das ist kein Problem
とにかく塩水で冷やしてます                                      Wir kuehlen erst einmal mit Salzwasser!

Refrain
(8)
いますぐ危険ってわけじゃないけど                          Jetzt sofort ist es nicht gefaehrlich, aber
牛乳も野菜も捨てましょう                                           Werft mal lieber Milch und Gemuese weg!
政府のおエライさんが言ってます                              So sagen die werten Herren von der Regierung
補償は税金で払います                                               Entschaedigungen bezahlen wir mit Steuergeld!

Refrain
(9)
ガイガーカウンタは売り切れてます                          Die Geigerzaehler sind ausverkauft
君たちそんなもの持っちゃダメですよ                       Die sind nichts fuer euch einfache Leute!
放射線の値はこちらで発表します                            Die Strahlenwerte veroeffentlichen wir
信じる者は救われる                                                    Wer’s glaubt wird selig!

Refrain

Und wo wir schon bei Youtube Videos sind hier noch ein Video von „Pluto-kun“ dem ehemaligen drolligen Maskottchen der japanischen Atomindustrie.

Text:

Einfach mal angenommen, es gaebe boese Menschen, die mich einfach so ins Meer kippen. Ich bin nicht in Wasser aufloeslich aber weil ich nicht vom Magen oder Darm aufgenommen werden kann und einfach so ausgeschieden werde, kann ich tatsaechlich keine Menschen toeten! Aber es gibt boese Menschen, die aus einer Muecke einen Elefanten machen und luegen!

Und das sagt Wikipedia dazu:

Even though alpha radiation cannot penetrate the skin, ingested or inhaled plutonium does irradiate internal organs.[33] The skeleton, where plutonium is absorbed, and the liver, where it collects and becomes concentrated, are at risk.[32] Plutonium is not absorbed into the body efficiently when ingested; only 0.04% of plutonium oxide is absorbed after ingestion.[33] Plutonium absorbed by the body is excreted very slowly, with a biological half-life of 200 years.[91] Plutonium passes only slowly through cell membranes and intestinal boundaries, so absorption by ingestion and incorporation into bone structure proceeds very slowly.[92][93]

Plutonium is more dangerous when inhaled than when ingested. 

Lang lebe politischer Spin und Propaganda! Ja es stimmt, wenn man schon Plutonium aufnehmen muss, ist trinken noch am sichersten und Plutonium wird tatsaechlich fast komplett ausgeschieden. Dumm nur, dass das Plutonium, das aufgenommen wird, im Koerper verbleibt und dass der Koerper waehrend das Plutonium hindurchwandert von innen verstrahlt wird. Pluto-kun wird nach Kritik vom US-Energieministerium als Verharmlosung leider nicht mehr benutzt, aber nach dem GAU in Fukushima hat der Gute ein Revival auf Youtube erlebt 🙂

Na gut langer Artikel und ich will zum Ende kommen. Im Moment laeuft in Tokyo und Osaka uebrigens eine Unterschriftensammlung fuer ein nationales Referendum zum Thema Atomkraft und am Donnerstag gibt es hoffentlich ein Ergebnis ueber das ich dann berichten werde.

Wort des Tages: 花と散る – hana to chiru – den Heldentod sterben (schoen wie eine Blume den letzten Moment leben und voller Hingabe sterben)

Written by hanayagi

Februar 6, 2012 at 9:30 am

Veröffentlicht in Japan - Humor, Japanisch, Tagesgeschehen

Aus gegebenem Anlass

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Unser kleiner „wenn das grosse Kanto-Erdbeben kommt“-Kit.

– Radio (10 Std pro Batteriefuellung)

– Taschenmesser

– Taschenlampe (15 Stunden pro Batteriefuellung)

– 6 Liter Wasser

– Kekse, Schokolade, Reis (ohne heisse Wasser zuzubereiten) – alles haltbar bis 2016

– Decke

– wasserabweisende Plane

 

Wirklich nur das Allernotwendigste, aber besser als nichts.

Wort des Tages: 震災グッヅ – saigai guddzu – Katastrophen-Kit

Written by hanayagi

Februar 3, 2012 at 2:04 pm

Veröffentlicht in Japan - Privat, Tagesgeschehen

Tod nach Zahlen

with 6 comments

So, ich bin letztens ueber eine interessante Webseite mit vielen, vielen Statistiken gestolpert. Ich habe die Daten mal ein wenig sortiert und mir Japan, Deutschland und die USA angeschaut. Diese drei Laender interessieren mich einfach, das ist der Grund. Das ist dabei herausgekommen:

Land / Todesursache Haeufigkeit Deutschland Japan USA
1 Herzkranzgefaesserkrankungen

/ Herzinfarkt (24.49%)

Schlaganfall (14.88%) Herzkranzgefaesserkrankungen

/ Herzinfarkt (21.42%)

2 Schlaganfall

(10.65)

Grippe &

Lungenentzuendung (13.74)

Alzheimer / Demenz

(8.30)

3 Lungenkrebs

(6.62)

Herzkranzgefaesserkrankungen

/ Herzinfarkt (11.76)

Lungenkrebs

(7.95)

4 Darmkrebs (4.87) Lungenkrebs (7.55) Schlaganfall (7.05)
5 Bluthochdruck (4.68) Magenkrebs (5.84 Lungenkrankheiten (6.29)
6 Lungenkrankheiten (3.79) Darmkrebs (5.08) Diabetes (3.62)
7 Diabetes (3.64) Leberkrebs (3.80) Darmkrebs (3.01)
8 Grippe &

Lungenentzuendung (3.46)

Selbstmord (3.52) Bluthochdruck (2.99)
9 Brustkrebs (3.10) Nierenversagen (3.06) Grippe &

Lungenentzuendung (2.77)

10 Leberkrankheiten (2.47) Bauchspeicheldruesenkrebs

(2.86)

Nierenversagen (2.45)
11 Bauchspeicheldruesenkrebs

(2.26)

Verletzungen (2.04) Brustkrebs (2.28)
12 Alzheimer / Demenz (2.22) Lungenkrankheiten (1.85) Verkehrsunfaelle (2.17)
13 Prostatakrebs (2.08) Diabetes (1.67) Lymphome (1.85)
14 Magenkrebs (1.95) Lymphome (1.58) Bauchspeicheldruesenkrebs

(1.72)

15 Nierenversagen (1.85) Leberkrankheiten (1.49) Selbstmord (1.70)
  (17) Selbstmord (1.63) (18) Alzheimer / Demenz (1.16) (20) Vergiftungen (1.42)
  (26) Verkehrsunfaelle (0.80) (26) Verkehrsunfaelle (0.76) (25) Gewalt (0.92)
  (31) Alkohol (0.74) (50) Gewalt (0.06) (40) Alkohol (0.30)
  (46) Drogen (0.11)   (41) Drogen (0.23)
  (47) Gewalt (0.10)    

Zur Erklaerung: Alle Zahlen rechts von den jeweiligen Todesursachen sind % der absoluten Todesfaelle (d.h. nicht nach Alter sortiert). Rote Schrift bedeutet eine Todesursache ist im weltweiten Vergleich besonders hoch.

Also schauen wir uns die Zahlen doch einmal genauer an.

– Die fuenf haeufigsten Todesursachen beinhalten in allen Laendern Schlaganfall, Herzkranzgefaesserkrankungen und Lungenkrebs. Zu beachten ist, dass die USA und Deutschland eine etwa doppelt so hohe Rate haben wie Japan bei Herzkranzgefaesserkrankungen.Schlaganfaelle sind in den USA ungefaehr halb so haeufig sind wie in Japan (7% und 14.88%). Ich vermute mal beide Beobachtungen haengen mit Lebens- und Ernaehrungsgewohnheiten bzw. Lebenserwartung zusammen.

– Die USA haben ausserdem noch Alzheimer als zweithaeufigste Todesursache (Deutschland 12., Japan 18.) und das obwohl die Menschen in den USA die niedrigste Lebenserwartung der drei Laender haben. (Ich gehe davon aus, dass Alzheimer eine Krankheit ist, die vor allem bei alten Menschen auftritt.)  Ausserdem ist Alzheimer als Todesursache damit auf Platz drei (!) weltweit, nur in Finnland und Island sterben mehr Menschen daran.

– In Japan sind Grippe und Lungenentzuendung die zweithaeufigste Todesursache (13.74%), in Deutschland und den US ist diese Todesursache eher selten mit ungefaehr drei Prozent. Koennte es sein, dass die japanische Architektur und deren fehlende Waermedaemmung damit zu tun hat? (Reine Spekulation)

– Selbstmord landet auf Platz 8 der japanischen Todesursachen mit 3.52%. Damit liegt Japan im weltweiten Vergleich auf Platz 14, knapp hinter Suedkorea. Alle anderen Laender vor diesen beiden sind entweder ehemalige Ostblockstaaten oder in Afrika / Suedamerika gelegene „developing countries“. Die Selbstmordrate in D. und den US ist nicht ganz halb so hoch wie in Japan. Ich frage mich, ob der Hype um die vielen japanischen Selbstmorde komplett gerechtfertigt ist.

– Von den oben genannten Ausnahmen einmal abgesehen, denke ich, dass die 15 haeufigsten Todesursachen wohl mehr oder weniger „natuerlich“ sind, in dem Sinne, dass sie in allen industrialisierten Laendern aehnlich aussehen. Damit meine ich die Dominanz von verschiedenen Krebsarten, Schlaganfaellen und Herzkranzgefaesserkrankungen. Das bedeutet natuerlich nicht, dass sie naturgegeben und damit nicht beeinflussbar sind. (Siehe die grossen prozentualen Unterschiede bei den drei hauefigsten Todesursachen)

Ich habe ausserdem noch ein paar Todesursachen ausgewaehlt, die ganz offensichtlich von Geselschaften beeinflusst oder verringert werden koennen. Diese Todesursachen sind zwar nicht so haeufig, aber eben auch vollkommen „menschengemacht“.

– Alkohol. 0.74% aller Todesfaelle in Deutschland und damit Platz 20 in der Welt. Nur Daenemark und Frankreich haben mehr Alkoholtote in anderen reichen Laendern. In Japan ist Tod durch Alkohol so selten, dass es in den Top 50 nicht auftaucht. In den USA sind Alkoholtote mit 0.3% prozentual wesentlich seltener als in D. Hintergrund koennte hier die Religion sein, denn viele Amerikaner trinken aus religioesen Gruenden keinen Alkohol. (siehe WHO Global Status Report on Alcohol and Health)

– Drogen. 0.23% in den USA und 0.11% in Deutschland. In Japan nicht in den Top 50 enthalten. Angesichts der (vergleichsweise) niedrigen Opferzahlen frage ich mich, ob der „war on drugs“ in den USA mehr als zwei Millionen Gefaengnisinsassen rechtfertigt? Die Unterscheidung von Alkohol und Drogen ist natuerlich eine kulturell-historische und nicht nach wissenschaftlichen Kriterien.  (Zigaretten tauchen nicht auf, sind aber sicher in Lungenkrebs / Lungenkrankheiten enthalten.)

– Vergiftungen. Leider kann ich auf der Webseite keine Definition dafuer finden. Wuerde mich mal interessieren, ob es dabei um Umweltverschmutzung (Schwermetalle usw.) geht. Die USA sind jedenfalls auf Platz 19 weltweit und nur Finnland ist unter den reichen Laendern giftiger. Wenn es dabei wirklich um Umweltverschmutzung geht, koennte ich mir gut vorstellen, dass einige Laender wie z.B. China da ein wenig tricksen.

Verkehrsunfaelle. 2.17% aller Todesfaelle in den USA, 0.8% in Deutschland und 0.76% in Japan. Dazu zwei Anmerkungen: (1) Ich bin ein wenig erstaunt, dass die Zahlen in D. und Japan sich so wenig unterscheiden. Ich haette gedacht, Japan ist sicherer als D. aufgrund der vielen Geschwindigkeitsbegrenzungen und des meiner Meinung nach umsichtigeren Fahrens der Japaner. (2) Die USA sind mal wieder negativ auffaellig. Gruende koennten die Auto-kultur in den US sein (man faehrt halt nicht Zug oder Bahn sondern mit dem unsicheren Auto). Oder vielleicht Macho-Kultur am Steuer und mangelnde Ruecksicht auf andere / Egoismus?

– Gewalt. Wie nicht anders zu erwarten fuehren die USA (0.92%) hier mit Abstand vor D. (0.10%) und Japan (0.06%). In anderen Worten in den USA stirbt man neunmal so haeufig als Opfer eines Gewaltverbrechens wie in Deutschland und 15 mal so haeufig wie in Japan. Ueber Gruende kann man hier viel spekulieren, aber Waffen sind ganz sicher kein Grund! (*zwinker* *zwinker*)

 

Ein paar abschliessende Bemerkungen: Die Daten sind laut Webseite von der WHO, World Bank, Unesco, CIA und den jeweiligen landesspezifischen Datenbanken zusammengestellt. Ich weiss nicht, wie weit man Sorgfalt hat walten lassen bei den verschiedenen Definitionen. Sind Verkehrsunfaelle z.B. in den USA  und Deutschland gleich definiert? Faelt Alkohol am Steuer in die Kategorie „Alkohol“ oder „Verkehrsunfaelle“? Sind die Kategorien in den drei Laendern gleich definiert? Ich weiss es nicht. Und da das hier keine wissenschaftliche Abhandlung sondern ein Artikel fuer meinen Blog ist, sage ich einfach mal „take it, for what it’s worth“.

Wort des Tages:  死亡原因 – shibougen-in – Todesursache

Written by hanayagi

Februar 3, 2012 at 2:03 pm

Nach den Wahlen (ALLE ARTIKEL VOR DIESEM ARTIKEL SIND AUS DEM JAHR 2009 ODER AELTER)

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Wie meine Leser hoffentlich wissen, hat es letzthin sowohl in Japan als auch in Deutschland Wahlen gegeben, die in beiden Faellen zu einer neuen Regierung fuehrten. Interessant finde ich nun, was danach geschah.

In Japan hat bekanntlich die DPJ gewonnen und damit 50 Jahre LDP Herrschaft beendet. Die DPJ ist war nicht wirklich „links“, aber zumindest weiter links als die LDP. Wie auch immer, in Japan beherrschen seit der Wahl folgende politische Themen die Debatte:

1) Der Plan der DPJ unnoetige Ausgaben der Vorgaengerregierung zu reduzieren (um mindestens 3 billionen Yen) und die Umsetzung dessen. Mit den unnoetigen Ausgaben sind vor allem „公共事業“ (koukyoujigyou) gemeint, „oeffentliche Projekte“. Darunter fallen vor allem Infrastrukturmassnahmen wie z.B. Bruecken, Daemme und Strassenbauarbeiten. Man muss dazu erwaehnen, dass diese Ausgaben immerhin fuer ein Zehntel der Staatsausgaben verantwortlich sind. Die DPJ moechte jetzt also viele dieser – oft unnoetigen – Projekte fallen lassen. Zum Beispiel den Bau des „八ッ場ダム“ – Yamba-Damms. Der war dann auch fuer ein – zwei Wochen das Hauptthema in den Medien. Der Damm ist schon seit knapp 30 Jahren „im Bau“ und bisher stehen nur ein paar Pfeiler einsam in der Landschaft. Als ich in Kusatsu gewohnt habe, bin ich oft daran vorbeigefahren und habe in dem ganzen Jahr nie auch nur einen Bauarbeiter gesehen … Die lokalen offiziellen Stellen sind natuerlich entschieden gegen den Baustopp, haengen doch Jobs und Geld daran.

2) Die DPJ moechte gerne die Kosten fuer den Flughafenbau in Japan reduzieren und ausserdem die wichtigsten internationalen Flughaefen in Japan naemlich Narita und Haneda in Tokyo umstrukturieren. Im Moment spielt Narita in etwa die gleiche Rolle wie das deutsche Frankfurt und die meisten internationalen Fluege kommen dort an. Es gibt aber auch einige Fluege, die nach Haneda und Kanku (Flughafen Kansai bei Osaka) gehen. Die DPJ moechte nun Haneda die Rolle des „Hauptflughafens“ zuweisen, was prompt zu einem Aufschrei des Gouverneurs der Praefektur Chiba Herrn Morita fuehrte (und natuerlich auch von Seiten des Gouverneurs von Osaka, Herrn Hashimoto, aber der krakeelt ohnehin immerzu – bringt sich wohl schon in Position fuer die naechste Wahl …), in der Narita liegt. Der gute Morita war uebrigens Schauspieler, bevor er Politiker wurde.

In beiden Faellen haben sich die lokalen Politiker uebrigens zumindest vordergruendig vor allem darueber aufgeregt, dass diese Sachen ueber ihre Kopefe hinweg entschieden wurden.

3) Herr Ozawa, seines Zeichens Fraktionsfuehrer der DPJ hat vorgestern (glaube ich) sieben von 32 Politikern aus dem Ausschuss zur Senkung der Staatsausgaben verjagt. Er echauffierte sich oeffentlich ueber die Anzahl junger „Anfaenger“ in diesem „wichtigen und komplizierten“ Ausschuss. Dazu kann man nun viel sagen, aber was die Medien am meisten interessiert, ist die „Cliquen“-Bildung (jap. 派閥) in der DPJ. Bisher war vor allem die LDP dafuer beruehmt, aber nun finden sich auch in der DPJ solche Cliquen, deren groesste derzeit die „Ozawa children“ sind.

Grob zusammengefasst beherrschen also die folgenden Themen das politische Tagesgespraech:

1) Streichung von Staatsausgaben, speziell der sogenannten „oeffentlichen Projekte“.

2) Die Cliquenbildung innerhalb der DPJ.

Nun schauen wir doch einmal, was in Deutschland seit der Wahl politisches Tagesgespraech war:

1) Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP: Steuersenkungen, Ausstieg aus dem Atomausstieg, Staatshaushalt, Schutz (oder eher nicht) der Privatssphaere, Arbeitnehmerrechte ….

2) Streit / Machtkaempfe zwischen den Koalitionspartnern.

Ich finde es interessant, wie sich die Prioritaeten in der Politik beider Laender unterscheiden. In Deutschland berichten die Medien normalerweise nicht ueber die Netzwerke einzelner Politiker und ihren Einfluss, obwohl diese selbstverstaendlich vorhanden sind. In Japan wiederum verdraengt dieses Thema oft die inhaltliche Politik.

In Deutschland werden in den Koalitionsverhandlungen zig verschiedene Theman besprochen und in den Medien breit diskutiert; in Japan geht es bisher vor allem um die „oeffentlichen Projekte“.

Wort des Tages: 政権交代 - seikenkoutai – der Regierungswechsel

Written by hanayagi

Februar 3, 2012 at 1:56 pm

Veröffentlicht in Alles mit Kultur, Tagesgeschehen