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Archive for the ‘Japan – Seltsam und Interessant’ Category

Sex in Japan, Teil 3: Sexualerziehung

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Heute gibt es wieder ein paar Zahlen und Daten, was normalerweise weniger Views/Comments bedeutet. Aber dafür geht es heute um Sex!

 

Naja, mal im Ernst, es hat sich wieder so einiges angesammelt und ich werde von nun an meine kleine Serie zum Thema „Sex in Japan“, die ich hier und hier begonnen habe, weiterführen. Damals ging es um Verhütung, bzw. die merkwürdige Herangehensweise an selbige und die daraus resultierenden hohen Abtreibungsraten, speziell in den 70er bis 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, sowie um die noch viel seltsamere Geschichte der Einführung der Pille in Japan.

 

Die Serie werde ich mit Artikeln zum Thema Sexualerziehung,  Sexualverhalten, Häufigkeit und Zufriedenheit (von Sex), sowie Pornographieproduktion erweitern. Alle Artikel sind so weit mir möglich recherchiert, aber ich garantiere aufgrund des Themas keineswegs ihre Richtigkeit.

 

So, das wäre geklärt. Heute geht es um Sexualerziehung in Japan. Ich bin darauf gekommen, da ich von mehreren Japanern gehört habe, dass ihr Sexualkundeunterricht nicht die Bezeichnung verdiente und den Lehrern das Thema so peinlich war, dass sie nichts dabei lernten. Also habe ich mich mal ein wenig umgeschaut in den Weiten des Netzes und eine Studie von Durex (Kondomhersteller) gefunden. Die Studie wird seit einiger Zeit jährlich durchgeführt mit verschiedenen Themen. so wurden 2008 26000 Menschen in 26 Ländern über ihre Selbstvertrauen beim Thema Sex befragt, woraus sich auch ein paar Schlüsse  zum Thema Sexualerziehung ziehen lassen.

 

Man sollte die Daten der Studie ein wenig mit Vorsicht genießen, da sie auf Online-Fragebögen basiert und eine Auftragsstudie für einen Kondom- und Sexspielzeughersteller mit entsprechenden Geschäftsinteressen ist.

 

Erst einmal ein paar Daten zusammengefasst:

 

(1) Level of confidence in knowing how to protect from STIs/HIV/AIDS (Selbstvertrauen zu wissen, wie man sich vor Geschlechtskrankheiten/HIV/AIDS schützt)

Niedrigster Wert: 64.8% (Thailand)

Höchster Wert: 86.9% (Sürdafrika)

Japan: 67.2% (zweitniedrigster Wert)

Deutschland: 80.0%

China: 71.5%

 

(2) Level of confidence in knowing how to avoid pregnancy (Selbstvertrauen zu wissen, wie man eine Schwangerschaft verhindert)

Niedrigster Wert: 67.9% (Singapur)

Höchster Wert: 86.5% (Südafrika)

Japan: 70.9%

Deutschland: 79.3%

China: 72.9%

 

(3) Level of confidence in knowing how to have a happy and fulfilling sex life (Selbstvertrauen zu wissen, wie man ein glückliches und erfüllendes Sexleben führt)

Niedrigster Wert:  54.3% (Japan)

Höchster Wert: 79.6% (Brasilien)

Deutschland:  72.0%

China:  71.5%

Japan hat nicht nur den niedrigsten Wert, sondern auch der Sprung zum nächsten Land (Frankreich, 62.6%) ist  ziemlich gewaltig.

 

(4) Level of confidence in knowing where to go to for help/advice/guidance on sex (Selbstvertrauen zu wissen, wo man Hilfe/Rat/Anleitung zum Thema Sex bekommt)

42.4% #1-> next 61.7 (Thai) D73.4   C66.1

Niedrigster Wert: 42.4% (Japan) 

Höchster Wert: 79.9% (Brasilien)

Deutschland: 73.4%

China: 66.1%

Geschlechtskrankheiten sind relativ selten in Japan, aber sie sind eben auch mit einem starken Tabu belegt. Der Abstand hier ist so krass, dass ich euch die Grafik mal reinkopiert habe.

 

(5) Overall level of confidence about sex (Allgemeines-Selbstvertrauen beim Thema Sex)

Niedrigster Wert: 58.8% (Japan)

Höchster Wert: 82.5% (Brasilien)

Deutschland: 76.2%

China: 70.6%

Japan hat nicht nur den niedrigsten Wert, sondern auch einigen Abstand zum nächsten Land (Thailand, 64.4%).

 

(6) Mean age at receiving first formal sex education (Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des ersten formellen Sexualkundeunterrichts)

Niedrigster Wert: 12.1 Mexiko

Höchster Wert: 15.4 Jahre (China)

Deutschland: 12.4 Jahre

Japan: 12.3 Jahre

 

So, was lernen wir daraus? Hmm, zuerst einmal hat Japan bei zwei von vier Fragen den niedrigsten Wert aller Teilnehmerländer und das auch noch mit Abstand. Dazu kommt noch einmal der zweitniedrigste Wert und ein Wert, der nur knapp 3% vom niedrigsten Wert abweicht. Folgerichtig ist Japan, was das allgemeine Selbstvertrauen zum Thema betrifft, das Land mit dem niedrigsten Wert. Oder, in einfachen Worten gesagt, die Japaner haben am wenigsten Selbstvertrauen zum Thema Sex, was mangelndes Wissen/schlechte Sexualerziehung hinweist.

 

Ein zweites Ergebnis ist, dass der Zeitpunkt des ersten Sexualkundeunterrichts offenbar  keine große Rolle spielt, wenn es um sexuelle Selbstsicherheit geht. Ich denke, man kann da sogar noch weiter gehen und sagen, dass in Japan nicht nur der Sexualkundeunterricht mies ist, sondern auch generell in der Öffentlichkeit nicht gerade offen über Sex geredet/geschrieben wird, woraus zum einen das niedrige Selbstvertrauen der Japaner resultiert und man zum anderen wirklich haarsträubende Geschichten zum Thema Sex in Japan zu hören bekommt (dazu ein anderes Mal mehr).

 

Wort des Tages: 性教育 – seikyouiku – Sexualerziehung

Written by hanayagi

April 7, 2012 at 12:24 am

Brillen ohne Gläser

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Neues aus dem Land des unbegrenzten Kommerz und der unbegrenzten Eitelkeit! Es ist mir zuerst bei einer jungen Kollegin auf Arbeit aufgefallen und dann bei einer Schülerin von mir. Beide trugen Brillen ohne Gläser. Ich dachte zuerst „wtf!“ und steckte einen Finger durch die Brille hindurch um auch ganz sicher zu gehen. Aber ich hatte mich nicht geirrt. Darauf angesprochen meinte meine Kollegin, dass sie die Fake-Brille bräuchte um ihr fehlendes Make-up zu überspielen. Hmm, interessant. Meine Schülerin wollte einfach nur hip & cool sein. Mhm. Seit diesem Erlebnis fallen sie mir öfter mal auf, so auch gestern in Shibuya.

 

Das fand ich interessant und habe meiner Frau und meiner Schwiegermutter davon erzählt. Meine Frau hatte keine Ahnung wovon ich rede, aber meine Schwiegermutter, die Klatsch über alles liebt, war natürlich voll im Bilde.  Sie erklärte mir dann auch, dass der Kram „date-megane“ (megane = Brille) genannt wird. Eine kleine Recherche bei Wikipedia brachte dann zu Tage, dass  es zwei einander nicht ausschließende Erklärungen für den Namen gibt:

1) Date kommt von „tatsu“ (stehen, aufstehen) so wie in „medatsu“ (hervorstechen, auffallen) oder „otoko ga tatsu“ (ein echter Mann). „Date-megane“ würde demnach tatsächlich als „Auffallen-Brille“ bezeichnet werden. Im Deutschen sagt man vielleicht eher  „Angeber-Brille“, aber damit kommt auch eine negative Konnotation.

2) Interessant ist auch, daß „date-megane“ mit den Kanji von Date Masamune geschrieben wird, einem Daimyo aus der Sengoku-Zeit.

 

Generell soll die Fake-Brille den Träger cooler und ursprünglich männlicher machen. Im Moment scheint sie aber vor allem bei Mädchen und jungen Frauen als Modeaccessoire beliebt zu sein.

     

Wer schoen sein will, muss … daemlich sein?

 

Komische Leute, diese Japanerinnen.

 

Wort des Tages:目立ちたがり屋 – medachitagariya – Angeber, Blender (der schoene englische Ausdruck „attention whore“ ist hier eine schoene Uebersetzung)

Written by hanayagi

April 5, 2012 at 2:01 am

Ein kleines Stück vom Glück

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Heute habe ich mal ein paar Fotos, die ich einfach interessant finde.

Das linke Foto hatte ich vor einer Weile schon einmal gepostet. Es geht darum, gerade Zähne zu bekommen und dadurch ein „internationaler Mensch“ zu werden. Auf dem rechten Bild geht es auch wieder um gerade Zähne. Interessant fand ich hier nur, dass wieder westliche Models benutzt wurden.

Aus meiner ständig wachsenden Sammlung von „Bitte nehmen Sie ihre Hundekacke mit!“-Bildern. Auch in Mima ist das offenbar ein Problem 😉

Aus einem Weekly-magazine. „Ihr Selbstbewusstsein als Mann kehrt wieder zurück, genau wie damals als junger Mann“. Ja genau, ihr habt es erraten, hier wird ein Potenzmittel beworben.

/rant on

Hier gibt es soviele Möglichkeiten für eine Pointe …

– weil japanische Männer bekanntlich solche Hengste im Bett sind

– weil alte Männer auch unbedingt die gleiche Menge an Sex haben sollen wie junge Männer

– weil die Frauen ja nur auf alte geile Böcke mit Potenzmitteln warten, so wie die junge Dame auf dem Bild …

/rant off

Ich mag einfach das „twinkle wink“ auf der CD. Ich habe nicht darauf geachtet, aber ich glaube auf der CD gibt es ein Video von „Udatsu no machinami“ (Siehe Tokushima Teil 1) bei Nacht.

„Um dieses Land zu beschützen.“ Bitte beschütze mich, oh weise und mächtige, seriös dreinblickende 08/15 Politikernase! Meine Stimme hätte Herr Gotoda, wenn ich denn wählen dürfte in Japan. 😉

Balloon mama, hm? Ich weiß ja nicht. Irgendwie kann ich mir gut vorstellen, dass einige schwangere Frauen mit ihren neuen Körpermaßen hadern. Scheint mir einfach unglücklich gewählt, der Name.

Und falls sich jemand gefragt hat, warum dieser Artikel seinen Namen trägt…

Darum! Dieses nette kleine Plastikflugzeug habe ich der Stewardess auf meinem Rückflug nach Tokyo abgeschwatzt. Das war eigentlich für Kinder gedacht. Bwahahaha.

Ich war jedenfalls ziemlich froh darüber. 🙂

Wie euch jeder, der mich privat kennt, bestätigen wird, bin ich Grobmotoriker und habe zwei linke Hände. Trotzdem habe ich es irgendwie geschafft, das Ding zusammenzubasteln. Hah!

Manchmal braucht es eben nur eine Kleinigkeit um glücklich zu sein. 🙂

 

Wort des Tages: 小さな幸せ – chiisana shiawase – kleines Glück

Written by hanayagi

April 4, 2012 at 2:22 am

Geheimes Memo der japanischen Regierung

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Aus gut informierter Quelle weiß ich, dass in der Japan Times Ausgabe von Morgen ein geheimes Memo der japanischen Regierung (Kan-Kabinett) zum Thema Atomkraft nach Fukushima abgedruckt werden wird. Ich habe nur eine kurze Zusammenfassung erhalten, so dass ihr euch bis Morgen gedulden müsst für die genauen Details. Aber auch die Zusammenfassung hat es in sich.

Das Memo war für den Tepco-Aufsichtsrat bestimmt und besagte kurz gesagt:

1) Die japanische Regierung hat den Stresstest aller japanischen Atommeiler nur angeordnet um die oeffentliche Meinung zu beruhigen

2) Das Memo sichert Tepco zu, dass der Test auf jeden Fall ein positves Ergebnis haben wird

3) Weiterhin geht die Regierung im Memo davon aus, dass die Atomkraftwerke nach dem „erfolgreichen“ Stresstest noch in diesem Jahr wieder angefahren werden können, vielleicht schon im September/Oktober

Bin gespannt auf das volle Memo!

Wort des Tages: スクープ – sukuupu – Topstory (von engl. scoop)

Written by hanayagi

April 1, 2012 at 2:11 am

Ausflug nach Tokushima, Teil 1: Mima-shi

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Diese Woche war ich mit meiner Frau bis gestern bei meinen Schwiegereltern in Tokushima und einen Tag in der nahegelegenen Stadt Mima. Meine Frau ist noch in Tokushima, weil es ihr nicht so gut geht (keine Sorge nur eine Erkaeltung), ich bin schon zurueck, weil ich ein paar Besorgungen zu erledigen habe. Der heutige Post wird sehr lang und ich hatte ueberlegt ihn in drei oder mehr Teile aufzuteilen, die Idee aber dann wieder verworfen, weil es den Zusammenhang auseinanderreisst.  Zwei Teile werden es aber dann doch werden: Der heutige Teil beinhaltet Bilder aus Mima und der zweite Teil Bilder aus Tokushima.

Aber bevor ich zum eigentlichen Punkt komme, moechte ich noch kurz meine Erlebnisse von meiner Rueckreise gestern schildern. Also: Damals, im Ferienlager … j/k

Ich bin also gestern allein nach Tokyo zurueckgeflogen und merkte dann beim Aussteigen in Haneda, dass mein Portmonnaie nicht da war, wo es sein sollte. Auch nach hektischer Suche in allen Taschen und um meinen Sitz herum, konnte ich es nicht finden. Ein kurzer Anruf bei Schwiegermutter bestaetigte meinen Verdacht, dass ich es in ihrem Auto (ein VW Golf uebrigens, hehe) verloren hatte. Immerhin etwas. Das bedeutete dann aber, dass ich in Tokyo ohne Ausweispapiere und Geld am Flughafen Haneda festsaß. Jep, ziemlicher Mist. Ich bin dann zur Koban (=Polizeitstation) am Flughafen gestiefelt und habe dort um Hilfe gebeten. Da es scheinbar häufiger vorkommt, dass Leute das Geld zum nach Hause fahren vergessen, gibt es sogar ein System für solche Fälle. Nach ein paar Anrufen und Erklärungen und ein paar ausgefüllten Formularen (wir sind in Japan, schon vergessen?) hatte ich dann 1030 Yen in der Hand und konnte nach Hause fahren. Yippie! Der dienstälteste Polizist bestand dann noch darauf, dass ich 200 Yen seines privaten Geldes nehme, was ich wirklich nicht wollte. Aber er war sehr bestimmt dabei, so dass ich mir auf dem Weg noch einen Twix kaufen konnte (gibt es seit ein paar Wochen an Bahnhofskiosks zu kaufen). Es war mittlerweile 15 Uhr und ich hatte kein Mittagessen. Deshalb: Danke, lieber Polizist! Ich habe mich natürlich ausführlichst bedankt!

So, Zeit für den eigentlichen Artikel und viele, viele Fotos:

Menschen

   

     

     

Aufgenommen an Wochentagen, deshalb viele alte Menschen und Schüler. Erwachsene arbeiten.

     

Nickerchen 🙂

     

       

Der creepy Gaijin macht Fotos von Schulmädchen und ihren Röcken! Aber ich kann mich mit „es ist für die Wissenschaft!“ herausreden 🙂 Der Punkt hier ist, dass die Röcke in Tokushima im Durchschnitt gute 40 Zentimeter länger sind als in Tokyo. Wer in Tokushima Knie zeigt, gilt schon als verwegen. In Tokyo interessiert das wirklich niemanden und die Mädels haben so kurze Röcke, dass sie beim Treppensteigen oft ihre Hände benutzen um sicherzustellen, dass es keine ungewollten Blicke auf ihre Unterwäsche gibt. 🙂

Und hier ein paar Fotos von unserem Zug bzw. der Landschaft vor den Zugfenstern

      

     

   

      

Wer schon einmal in Tokyo war, wird auf diesem Bild eine Menge Unterschiede bemerken. (Z.B. gibt es keine automatischen Ticketschalter.)

Und hier ein paar Schnappschüsse aus Mima selbst

     

    

Diese Blüte erzeugt einen Ton, wenn man durch sie hindurchbläst.

     

Ein Rathaus auf dem Lande. Mein Rathaus in Kusatsu sah ziemlich exakt genau so aus.

Diese nette Oma war leider schon ein wenig Dement, aber sehr freundlich. Sie wollte uns zu einem leckeren und billigen Soba-Laden mitschleifen, aber wir hatten da schon gegessen. Sie war ausserdem Souka-Gakkai Anhängerin, hehe.

     

Japan ist eines der reichsten Länder der Erde. Auf dem Land rostet aber trotzdem vieles vor sich hin.

    

Der Getränkekistenzaun gehört zu einem Sakehändler.

     

Solche pittoresken Flussbetten sieht man in Japan relativ oft.

Seilhüpfen. 🙂

Wilde Müllhalden sieht man in Japan leider ebenfalls ziemlich oft.

     

In Südjapan findet man zu jeder Jahreszeit Zitrusfrüchte. Das hier dürften Dekopon (デコポン) sein. Vielleicht hat ja einer Lust, die deutsche Übersetzung nachzuschlagen?

      

Nein, das war kein Tsunami, sondern einfach nur Zerfall.

Oh, wie süß! Und dann heißt die Gute auch noch Sakura! Aber ich wette, wenn ich mich genähert hätte, hätte sie mich gebissen. Ich mag übrigens Hunde nicht.

     

Holzverarbeitung.

Der alte Mann hier war einfach genial. Wäsche aufhängen, angeln, den Golf-abschlag üben … der Mann weiß, wie man abhängt! Das in der Mitte ist übrigens sein Auto.

Nicht einmal im tiefsten Inaka (= auf dem Lande) ist man vor AKB48 sicher.

Und so sieht meine Frau aus. Ahem, ich meinte natürlich ein nationales Kulturgut.

      

Und hier noch einmal von innen.

Lecker Mandarinensaft, Schokoeis und Kuchen aus Sobamehl. (Im wahrscheinlich einzigen Cafe in Mima-shi gegessen.)

      

Unser Hotel. Es gab nur zwei Hotels im ganzen Ort. Hehe. Meine Frau bemerkte sehr treffend, dass das Hotel sehr „bubbly“ aussah. Damit meinte sie, dass es wahrscheinlich in der Zeit vor dem Platzen der Blase in Japan gebaut wurde, als Japan wirtschaftlich auf dem Zenit seiner Macht stand und viel Geld in völlig nutzlose und überdimensionierte Bauprojekte floß. Die meisten dieser Projekte entstanden in den 70er/80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dieses spezielle Hotel war ursprünglich eine Bildungseinrichtung der japanischen Regierung, wurde dann aufgegeben und verfiel vor sich hin, bis es vor sechs Jahren von einem reichen Menschen aus Osaka aufgekauft wurde und jetzt ist es ein etwas heruntergekommenes Hotel.

Wie jedes auch nur halbwegs anständige Hotel in Japan hatte auch dieses Hotel ein öffentliches Bad.

    

Das Frauenbad am Morgen.

     

Das Männerbad am Abend. (Und ja, das sind meine Füße!)

      

Das linke Bild war leider nicht besser hinzubekommen. Mir ist nur glaube ich zum ersten Mal aufgefallen, dass hier tatsächlich die Nummer „4“ ausgespart wurde. Also Raum 303 und dann Raum 305. Wie ihr aus jedem billigen Japanreiseführer wisst, gilt die „4“ in Japan als Unglück verheißend, da sie die gleiche Lesung haben kann wie „Tod“.

Auf dem rechten Bild seht ihr ein traditionelles japanisches Frühstück inklusive Miso-Suppe, Natto und Tofu. Da ich Natto und Tofu nicht ausstehen kann, war ich ziemlich hungrig nach dem Frühstück. 🙂

Und das war der eigentliche Anlaß für unseren kleinen Ausflug: Udatsu no Machinami (うだつの町並み), was in etwa „Udatsu Innenstadt“ bedeutet.

     

     

Als „Udatsu“ bezeichnet man die gemauertenVorsprünge, wie der auf dem rechten Vorbild. Sie wurden von wohlhabenden Bürgern in der Edo-Zeit an die Seiten ihrer Häuser angebracht um das Übergreifen von Feuern auf das eigene Haus zu verhindern.

      

In der Udatsu Innenstadt werden diese Vorspünge heute als Touristenattraktion instand gehalten.

      

In Japan gibt es auch heute noch die Redensart „Udatsu ga agaru“, was wörtlich „die Udatsu werden gebaut (eigtl. wachsen nach oben)“ bedeutet. Die Bedeutung der Redensart in Deutschland würde ich mit „reich werden“ übersetzen. Man soll also die Seife kaufen um reich zu werden. 🙂

     

Der Name dieser merkwürdigen Blumen ist mir leider schon wieder entfallen.

      

Bambus wird oft als Blumenvase benutzt.

      

Der Frühling ist da!

Wort des Tages: おびただしい – obitadashii – gewaltig viel (wird benutzt, wenn etwas unüberschaubar viel ist, wie z.B. ein Vogelschwarm oder die Anzahl an Fotos in diesem Artikel)

Written by hanayagi

März 31, 2012 at 4:35 am

Tama-Zoo #2

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Ich hatte damals bei Kulando schon einen Artikel über einen Besuch im Tama-Zoo (多摩動物園, Tama-Doubutsuen) geschrieben, aber da ich vor kurzem wieder da war, gibt es heute noch einen!

Anlaß war übrigens der alljährliche Ausflug meiner Juku (siehe voriger Artikel) zur Feier der Einschulung (Mittel- und Oberschule bzw. Universität) der Schüler. Viele Schüler verlassen natürlich unsere Juku, wenn sie den Eintritt in die nächsthöhere Schule geschafft haben. Danach sind wir dann noch lecker Shabu-Shabu Essen gegangen.

Aber es wird Zeit für Fotos!

Die Koban (= Polizeistation) vor dem Park

Rechts steht: „Tama-Zoo“

Tiere!

Auf dem letzten Bild rechts sieht man den Safari-Bus mit dem man durch das Löwengehege fahren kann.

Such den Gaijin!

Japaner spannen auch bei drei Tropfen Nieselregen gerne einen Regenschirm auf. Einige wissen übrigens, dass das im Ausland anders ist.

Gruppenfoto am Bahnhof; Oberschülerinnen mit obligatorischem Peace/V-Zeichen.

Laut Wikipedia stammt diese Unsitte übrigens möglicherweise von Janet Lynn, die bei der Winterolympiade in Sapporo 1972 stürzte, aber dann lächelnd weitermachte als sei nichts gewesen. Dieses Ausharren hat sie dann bei den Japanern zum Star gemacht. Sie war ausserdem Friedensaktivistin (Vietnamkrieg!) und deshalb gab es viele Fotos mit der Pose von ihr, was das Peace-Zeichen in Japan populär machte. Falls die Story stimmt, dann ist sie ein schönes Beispiel für Formen-aus-dem-Westen-übernehmen-aber-nicht-die-Substanz.

Gruppenfoto mit ein paar Schülern und Lehrern. Na, wer errät, wieviele Lehrer und wieviele Schüler es sind?

Hier habe ich einen meiner Schüler dazu überredet, auf diesen gigantischen Grashüpfer zu steigen.

Ahahaha, mein teuflischer Plan japanische Kinder zu manipulieren um dann die Weltherrschaft an mich zu reißen, ist ein voller Erfolg!

Ein paar Kollegen und lecker Shabu Shabu.

Wort des Tages: 世界征服 – sekaiseihuku – Weltherrschaft

Written by hanayagi

März 29, 2012 at 2:45 am

Piraten!

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Normalerweise schreibe ich hier alle zwei Tage einen Artikel, aber heute Morgen bin ich beim Zeitung lesen ueber dieses wunderbare Bild gestolpert:

Die künftige Fraktion der Piraten vor dem Saarländischen Landtag: Michael Hilberer, Landesvorsitzende Jasmin Maurer, Michael Neyses und Andreas Augustin (von links)

Es stammt aus einem Artikel bei Zeit Online zum Thema Landtagswahl im Saarland und dem Erfolg der Piratenpartei dort. Die vier Personen auf dem Bild sind die Landtagsabgeordneten der Partei dort.

Was ich daran so faszinierend finde, ist die absolute Unvorstellbarkeit dieses Fotos in Japan.

Und so sehen Politiker in Japan aus. Immer.

Und so sehen Piraten in Japan aus.

Politiker in Japan sind zu 90% maennlich (im Parlament gibt es genau 11.3% Frauen) und tragen IMMER einen Anzug mit Krawatte bzw. bei den Frauen Geschaeftsanzug.

Die Vorstellung einer Piratenpartei an sich, junger Politiker (= unter 50) und Politikern in CASUAL Dresscode … das ist soweit weg von der Realitaet in Japan, dass es schon witzig ist.

In Japan gilt eben immer noch: Nur „anstaendige“, „serioese“, alte, reiche Maenner koennen Politiker werden …

Ich werde heute Abend diesen Artikel mal meiner Schwiegermutter zeigen, bin gespannt auf ihre Reaktion.

Wort des Tages: 海賊 – kaizoku – Pirat(en)

Written by hanayagi

März 27, 2012 at 2:41 am

Frühlingsspaziergang

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Es ist mal wieder Zeit für einen Fotoartikel. Dieses Mal gibt es ein paar gemischte Motive und dann eine lange Strecke von Ansichten aus unserer direkten Nachbarschaft.

Werbung für elektrische Wörterbücher. Das linke Plakat wirbt damit besonders gut für „Oberschüler mit guten Englischkenntnissen“ zu sein. Was mir ein wenig aufstößt ist, dass das ganze Menü in Japanisch ist …. (kann man sicher umstellen). Das zweite Plakat fand ich einfach nur sehr typisch: Junges Mädchen in Schuluniform vor Kirschblüten. Lang lebe das Klischee.

Und damit wir auch ja nicht vergessen das Frühling ist (was dieses Jahr zugegebenermaßen leicht passieren kann): Nochmal Kirschblüten und eine Gratulation zur Einschulung, die traditionell im März/April stattfindet.

Bemerkenswert auch, dass alle abgebildeten Personen weiblich sind.

Und wo wir schon bei meinem Lieblingsthema Gender sind: Rosa für Mädchen und blau für Jungs! (Das Mädchen war übrigens sehr zutraulich und niedlich.)

Na, worum geht es hier? Ja, genau: Achselhaarentfernung für Männer! „Echte Männer sprechen nicht darüber, auch wenn sie es bemerken.“  Ahem. Rechts unten steht übrigens, dass man sich auch die Haare unterhalb des Knies entfernen lassen kann, was in gewissem Sinne durchaus nachvollziehbar ist, da viele Japaner dort sehr haarig sind.

„In dieser Firma machen wir keine (Vermittlungs-)Geschäfte mit anti-sozialen (Einfluss)gruppen.“ – Was damit gemeint ist: Wir weigern uns den Yakuza Räume/Briefkastenfirmen zur Verfügung zu stellen.

Gesehen in einem Immobilienbüro in Tokyo. Wenn man in Japan die Augen offen hält, vergisst man nicht so schnell, das man im Land der Yakuza lebt.

Kaugummiwerbung. Ich finde einfach, dass das Zeug auf ihrem Kopf nach Penis aussieht.

Prohibition! Und alles andere in Japanisch. *lol* Es geht darum, dass man keine gefährlichen Gegenstände mit in den Zug nehmen soll.

So, unser kleiner Spaziergang heute. Wir waren gestern den ganzen Tag unterwegs und am Abend noch auf einer kleinen Abschiedsfeier von  meiner ehemaligen Arbeitsstelle, weshalb wir unsere Fahrräder davor parkten. Und dann regnete es gestern natürlich den ganzen Tag und auch die Nacht hindurch. Also sind wir gestern mit dem Bus nach Hause und heute nach Tsutsujigaoka gefahren und haben unsere Fahrräder abgeholt. Auf dem Weg dahin haben wir die Chance genutzt und ein paar Fotos gemacht.

Häschen vor dem Haus.

„Bitte nehmen Sie Ihre Hundekacke mit.“ – Allgegenwärtig in Japan, so auch bei unseren Nachbarn. Ich habe noch nie einen Japaner gesehen, der seinen Hund einfach so sein Geschäft verrichten lassen hat. Für mich ein ganz, ganz wichtiger Grund in Japan keinen Hund zu haben.

Unsere kleine Straße. Und ja, wir leben tatsächlich in Tokyo. 🙂

Idyllisch, hm?

    

Japanischer geht es nicht.

Alle Japaner sind Hobby-Entomologen, so auch meine Frau. Hier erklärte sie mir, dass diese Spuren von einem Krabbelvieh stammen, das gerne Moos frisst.

Jetzt wisst ihr auch, woher Herr Murakami seine Inspirationen nimmt.

Frühling? Naja, so langsam wird es wärmer.

Pflaumenzweige für einen Euro.

Und das ist eine dieser wunderbaren Direktverkaufsstellen, wo man Gemüse aus der Umgebung kaufen kann. Ob das in Tokyo besonders gesund ist, kann ich nicht sagen, aber im Sommer kann man hier vorzügliche Gurken und Tomaten kaufen. Die Besitzer sind übrigens stinkreiche Pensionäre, die den Kram aus Spaß betreiben. Sie haben mir ihr Haus übrigens mal von innen gezeigt und waren sichtlich Stolz auf ihr deutsches Dach und Zaun.

Und da steckt man das Geld für’s Gemüse rein. Toll finde ich auch, dass niemand überprüft, ob man auch wirklich bezahlt. Die Basis ist Vertrauen. Das ist ausserdem praktisch, da man im Zweifelsfall einfach einen oder zwei Tage später wiederkommen kann, wenn man etwas braucht, aber gerade kein Geld dabei hat. 🙂

Pflaumenblüte Ende März. Normal ist Ende Februar.

   

Das „Pato-Car“ (von „Patrol-Car“) unseres Dorfpolizisten. (Noch einmal: Wir leben wirklich in Tokyo.) Rechts die Polizeistation von innen. Unser guter Büttel ist meist irgendwo anders. 🙂

Ich mag diesen Busch einfach. Wird ständig zurechtgeschnitten, aber jedes Mal aufs Neue streckt er seine Äste gen Himmel. Ganbare!

Einer unserer örtlichen Kombinis. Die haben leckere „Yes“-artige Schokoladenkuchen.

Idylle #2

Das Zettelchen in der Mitte soll Unheil und Dämonen abschrecken. Sieht man hier in der Gegend recht oft, da es hier einen berühmten Tempel gibt.

„Fuki no tou“ oder auch Petasites japonicus ist ein Symbol für den Frühling.

Leere Getränkekisten.

Hier sind wir in der Nähe meiner alten Arbeitsstelle. Sieht schon viel mehr nach Stadt aus, oder?

Und noch ein Kombini. Lawson 100 ist übrigens ein „organischer“ Komibini. Was auch immer das bedeuten mag.

25 Meter vor meiner alten Arbeitsstelle. Prostitution ist in Japan offiziell verboten, wenn sie Geschlechtsverkehr beinhaltet. Alles andere ist aber erlaubt. Und wer will nachprüfen, was wirklich in geschlossenen Zimmern passiert…? Die beiden Mädels sehen für mich übrigens nach importierten Philippinerinnen aus.

25 Meter neben dem Etablissement aus dem letzten Foto.

Hier habe ich mehr als zwei Jahre nebenher gejobbt und Englisch unterrichtet. Es ist eine „Juku“ (in etwa: „Nachhilfeschule“) und die Kinder sind meist zwischen 10 und 15 Jahre alt. Für ältere Kinder gibt es ein anderes Gebäude. Der Studenlohn (1200 Yen bzw. etwa 12 Euro) ist mit Abstand der niedrigste für den ich je in Japan gearbeitet habe, aber dafür ist es ziemlich nah zu meiner Wohnung (keine lange Anfahrt) und die Arbeit war fast immer interessant und abwechslungsreich. Ausserdem mag ich Kinder einfach. 🙂

Und hier ist mein vor kurzem neu gekauftes Fahhrrad, das wir heute retten gehen mussten, da in Tokyo unberechtigt abgestellte Fahrräder meist innerhalb von ein bis zwei Tagen abgeschleppt werden. 🙂

Falls euch die kleine Fotostrecke gefallen hat, huldigt dem Fahrrad!

Wort des Tages: 自転車 – jitensha (selbst-drehen-rad = Fahrrad)

P.S.

かぜゆるみ

タバコいっぷく

おじいさん

🙂

Written by hanayagi

März 24, 2012 at 10:10 am

Über Medien, Teil 6: Medien und Demokratie

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Der vorletzte Teil meiner kleinen Serie zum Thema Medien hat die Wirkung der Medien auf den demokratischen Prozess in Japan als Thema. Dazu werde ich kurz den Begriff der „Oeffentlichkeit“ umreissen und ihn dann in Verbindung mit den vorherigen Artikeln und der Rolle der Medien in Japan bringen.

Was ist „Oeffentlichkeit“?

Das sagt Wikipedia dazu (Hervorhebung von mir):

Der Begriff, ursprünglich nur im Sinne der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen o.ä. gebraucht, wurde in der deutschen Sprache ab dem späten 17. Jahrhundert für eine erst literatur- sowie kunstkritische, dann ab Mitte des 18. Jahrhunderts durch dieAufklärung zunehmend politisch-sozial werdende Öffentlichkeit gebräuchlich, die v.a. in den Theatern, Salons und Kaffeehäusern o.ä. der europäischen Städte entstand, in denen sich das Bildungsbürgertum traf, als eine die staatliche Autorität legitimierende und kritisierende Sphäre („bürgerliche Öffentlichkeit“). Man unterschied ab dem 17. Jh. zwischen „vermachteter“, d.h. staatlich-verwaltungstechnischer Öffentlichkeit und eben jener, der nicht-staatlichen, Öffentlichkeit, die später (im 20. Jh.) unter dem Begriff der Zivilgesellschaft als eine „nicht-vermachtete“ (Gegen-) Öffentlichkeit (Jürgen Habermas) bezeichnet wurde.

Habermas (via Wikipedia, Hervorhebung von mir):

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sieht Habermas (ähnlich wie Ferdinand Tönnies) den öffentlichen Diskurs zunehmend gefährdet. Ihm zufolge gerät die Publizität durch verschärften kapitalistischen Konkurrenzdruck in den Sog von partikularen Interessen. Mit Entstehung der Massenpresse und den ihr eigenen technischen und kommerziellen Gegebenheiten erfolgt eine „Refeudalisierung der Öffentlichkeit“: Die Kommunikation wird wieder eingeschränkt und dem Einfluss einzelner Großinvestoren unterworfen. Der ebenfalls im 20. Jh. starke Einfluss von Staaten, zumal von kriegführenden und totalitären, auf die Öffentliche Meinung, tritt bei Habermas dem kapitalistischen gegenüber ganz zurück.

Die entscheidenden Ideen fasse ich noch einmal kurz zusammen:

– Die Oeffentlichkeit als historischer Begriff bezeichnet einen Raum des oeffentlichen Diskurses, der den Staat gleichzeitig legitimisiert und kritisiert.

– Der oeffentliche Diskurs ist durch das System Kapitalismus bestaendig gefaehrdet, da der Kapitalismus inhaerent zum Monopol strebt und der Einfluss einiger weniger auf den oeffentlichen Diskurs ueberproportional gross ist. Das gilt fuer die Produktion von Informationen als auch Kultur.

Und was bedeutet das?

Angewandt auf das Beispiel Japan nehme ich zuerst einmal Bezug auf meinen Artikel ueber Japans Kulturindustrie. Darin habe ich hoffentlich erfolgreich dargelegt, wie kommerzialisiert und industrialisiert die Produktion von Kultur in Japan ist. Die Aufmerksamkeit, die AKB48 seit kurzem und Johnnies schon seit langem bekommt, basiert letzten Endes auf der professionellen Produktion und Distribution von Kultur. Das Gleiche Prinzip gilt auch fuer das Unterhaltungsfernsehen. 

Die Produktionsmittel liegen sowohl beim Inhalt als auch bei der Distribution ausschliesslich in den Haenden von wohlhabenden Investoren. Ueberspitzt koennte man Marx beruehmten Ausspruch „Opium des Volkes“ auch hier anwenden. Einige wenige Kapitalisten produzieren billige (= nur geringfuegige Variationen) und sinnleere Unterhaltung fuer die Massen. Heutzutage ist es eben nicht mehr die Religion sondern PopmusikUnterhaltungsshows und Nachrichten.

Mit anderen Worten:

– Einige wenige private Investoren (grosse Zeitungen, Fernsehsender, Nachrichtenagenturen, Verlage) dominieren nicht nur den Medienmarkt, sondern eben auch den oeffentlichen Diskurs mit der massenweisen und industriellen Produktion von Kultur (und damit sind ausdruecklich auch Nachrichten/Informationen gemeint).

– Weiterhin kann man den Begriff der Oeffentlichkeit auch noch mit dem Konzept des Watchdog/Lapdog aus meinem Artikel zur Rolle der Medien in Verbindung bringen: Wenn die Medien sich selbst eher als Lapdog oder euphemistisch „staatstragend“ sehen, gibt es fuer sie keinen Anreiz das System zu hinterfragen  oder zu kritisieren, wohl aber einen grossen Anreiz das System zu bewahren. Und die Medien in Japan sehen sich selbst eher als Wahrer des Status Quo und Teil des Systems denn als kritischer Wachhund zur Bewahrung der politischen Partizipation der Bevoelkerung

Medien und Demokratie

Habermas Befuerchtung, dass der Kapitalismus – ueber die Konzentration der Produktionsmittel von Informationen – die Sphaere des oeffentlichen Diksurses einschraenkt, ist meiner Meinung nach in Japan leider absolut korrekt. Die Einschraenkung des oeffentlichen Diskurses erklaert meiner Meinung auch zumindest zum Teil die politische Einstellung vieler Japaner, die letzten Endes auf Resignation („ich kann doch sowieso nichts aendern“) hinauslaeuft.

Demokratie basiert auf der Partizipation der breiten Masse am oeffentlichen Diskurs. Freie Wahlen als Form des oeffentlichen Diskurses gibt es und deshalb kann man Japan nicht ganz den Status als Demokratie absprechen, aber die Existenz einer Sphaere des oeffentlichen Diskurses sehe ich in Japan nicht als gegeben. Wie sagte doch einst ein Journalismusprofessor in Japan zu mir: „Japan ist nur eine halbe Demokratie.“.

Und dann kam das Internet …

Das Internet als dezentrales Medium  aendert das Model der Informationsverteilung in der Gesellschaft von „einer / wenige-zu-vielen“ zu „viele-zu-vielen“. Dank des Internets kann ich auch ohne teure Druckerpresse und Verlagshaus diesen Blog schreiben und potenziell Millionen Menschen erreichen.

One-to-one /Many-to-many model of communication

Das Medium selbst ist damit inhaerent demokratisch und foerderlich fuer den Rueckgewinn des offentlichen Diskurses fuer eine breite Oeffentlichkeit. Es gibt natuerlich Interessen, die dem zuwider laufen, wie aktuell SOPA/PIPA und ACTA zeigen. Viele traditionelle Medien in Deutschland haben auf das neue Medium reagiert und bieten mehr Partizipation auf ihren Online-Platformen (z.B. Foren, Kommentar-Funktionen) an. In Japan haben fast alle grossen japanischsprachigen Zeitungen (bis auf Sankei) online nur gekuerzte Artikel und keinerlei Kommentarfunktion. (Damit komment sie natuerlich nur aufgrund der Sprachbarriere durch.)

Wort des Tages: メディア理論 – media riron – Medientheorie

Written by hanayagi

März 19, 2012 at 11:48 pm

Wohnungssuche und linguistische Spitzfindigkeiten

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Gestern waren wir auf Wohnungssuche in Tokyo. Und das ist eine anstrengende Angelegenheit. Man geht dabei normalerweise zuerst zu einem Immobilienbuero und sagt den Menschen dort, was man sucht und dann sucht man sich ein paar interessante Wohnungen aus deren Angeboten aus und faehrt zur Besichtigung vor Ort. Wir haben gestern nachmittag/abend zwei Immobilienmakler und vier Wohnungen geschafft. Und die haben uns alle nicht gefallen, was heisst Montag morgen werden wir uns wieder auf die Jagd begeben muessen.

Die vier Wohnungen haben uns nicht gefallen, weil:

– zwei Wohnungen waren mir zu laut (Autolaerm)

– eine Wohnung war ziemlich dunkel und direkt neben ein paar Fabriken

Die letzte Wohnung verdient einen eigenen Absatz. Die Maklerin sagte uns von Anfang an, dass die Wohnung neben einer „Hoteru (Hotel) -gai“ liegt. Mit „blablabla-gai“ bezeichnet man in Japan normalerweise ein Viertel in dem es viele Laeden desselben Typs gibt, z.B. „Restaurant-gai“. Als blauaeugiger Auslaender dachte ich mir nichts dabei und so fuhren wir zu dieser Wohnung, wo es mir dann wie Schuppen von den Augen fiel: „Hoteru- gai“ war Code* fuer „LOVE-Hotel-gai“. (Ja, ein LOVE-Hotel ist genau das, woran ihr gerade denkt!) Unsere Wohnung waere damit GENAU NEBEN einem solchen gelegen. Nun sehe ich mich selbst nicht gerade als pruede an, aber direkt neben einem Love-Hotel wohnen fuer viel Geld, das muss auch nicht sein.

*Kleiner linguistischer Exkurs: Mit Code bezeichnet man ein in der Sprachwissenschaft ein Wort, das von (fast) allen Menschen einer Gesellschaft verstanden wird, ohne dieses direkt selbst zu benennen (z.B. wenn man nicht „Schwarzer“ sondern „Farbiger Mensch“ sagt und damit „Schwarzer“ meint ). Ein Euphemismus ist aehnlich, wird aber benutzt, um etwas zu beschoenigen (z.B. „von uns gehen“  und nicht „sterben“).

Wort des Tages: 賃貸 – chintai – Miete

P.S. Ich weiss, ich habe letzte Woche nicht viel geschrieben, aber ich war auch sehr beschaeftigt. Ich versuche heute abend ein paar Artikel zu schreiben, damit es naechste Woche nicht genauso aussieht. 🙂

Written by hanayagi

März 18, 2012 at 1:24 am